Warum alle schweigen

BILD

Europas auflagenstärkstes Massenblatt wurde am 24. Juni 50 Jahre alt. Ein starkes Jubiläum für BILD, das es schafft, täglich 11,53 Millionen Bürger zum Lesen zu animieren: durch eine verständliche Sprache ohne Fremdworte, durch einen sehr aktuellen Politikteil (mit Kommentaren samstags von Claus Jacobi und montags einem Pro und Kontra von Oskar Lafontaine und Peter Gauweiler), aber eben auch durch sehr viel Sex bis Pornographie, Esoterik und Aberglaube. Für so gut wie jeden Tag in den letzten Wochen wurden Prominente gebeten, ihre Meinung über BILD kundzutun.

Nur Lob von Kirche und Politik

Und siehe da: Sie fällt fast ausnahmslos positiv aus. Der Kanzlerkandidat der “C”-Parteien ergiesst ein einziges Lob ohne jede Einschränkung über BILD. Der Ratsvorsitzende der EKD schreibt: “Dank BILD konnte ich etwas von meinem Glauben weitergeben.” Er berichtet über ein Interview des Blattes vor fünf Jahren zu seinem Amtsantritt. Kein einziges wirklich kritisches Wort auch vom sonst für seinen Mut bekannten Kölner Kardinal Meisner – nur die Anmerkung, BILD könnte “durchaus auf das eine oder andere aufreizende Foto und reisserische Texte verzichten”. In logischer Konsequenz: Einige dürfen es schon sein, nur nicht ganz so viele.

Zweimal Kindersex abgebildet

In derselben Ausgabe, nur zwei Seiten weiter, wird über die Verhaftung des Soulstars R. Kelly wegen Kindersex berichtet – mit einem grossen Foto (ohne Balken), wie er es mit einem Kind treibt. Selbst Staatsanwälte und Jugendschützer kuschen also offensichtlich vor der Macht der BILD-Zeitung. Sonst wäre es nicht zu erklären, dass BILD das Beweisfoto einen Tag später gleich noch einmal abdrucken konnte. Millionen, die bis dahin nicht wussten, wie Kindersex aussieht, haben es dank BILD jetzt gesehen. Wer noch nicht wusste, was ansonsten pervers ist, dem wurde es lang und breit in der Serie “Verbotene Liebe” so beschrieben, als ob Unfassbares ganz normal sei. Das Ganze läuft dann unter dem Motto: Man schreibt das Wort “schamlos” hin, und druckt dann in Grossaufnahme das Nacktfoto in schamloser Pose. Da ist schon auf dem Titel nichts undenkbar. Da heisst es z. B. in Riesenlettern “Zehn Tote! Neues Blutbad in Israel!” Damit man nun ja nicht bei Entsetzen und Trauer bliebe, kommt direkt darunter ein riesiges Bild mit zwölf Frauen – alle oben ohne. Geht es um Sex, gibt es keine Tabus. Da wird auch schon mal ganz oben auf dem Titel im Grossformat eine sich selbst befriedigende Frau gezeigt. Auch beim Thema Homosexualität kennt man keine Grenzen – wie die Schlagzeilen zeigen: “War Hitler schwul?” oder: “Biolek zeigt sein Glück: Er liebt diesen Mann!” Die letzten Tage vor dem Jubiläum wurde nochmals voll zugeschlagen. Eine nackte Frau ist auf der Titelseite (wie fast jeden Tag), aber diesmal von hinten abgebildet mit der Überschrift: “Wie lange bleibt dieser Po ungeküsst?” BILD als “Onanier-Vorlage” der Nation!

Der tägliche Aufstand gegen Gottes Gebote

Ja, es stimmt: BILD ist Deutschlands mächtigste Zeitung. Denn laut Kanzler Schröder entscheidet “BILD” die Bundestagswahl – wer wagt da schon Kritik zu üben! Neben einer immer schon steigenden Sexflut in “BILD” ist eine andere Tendenz zu beobachten, die es früher so intensiv nicht gab, nämlich die ständige positive Bewertung des Aberglaubens. Da wird am Tag des Europäischen Schlagerwettbewerbs in Estland zur deutschen Kandidatin getitelt: “Warum die 18 heute ihre Glückszahl ist”. Dass sie dann trotzdem auf einem der letzten Plätze landete und damit eigentlich der Aberglaube ad absurdum geführt wurde, war natürlich kein Thema mehr. Nichts ist dem Blatt zu dumm, um Menschen Angst und Schrecken einzujagen, wie die Schlagzeile am 8. Juni zeigte: “Gleiche Konstellation wie bei Attentat vom 11. September – Angst vor Unglücksstern – Astrologen warnen: Seien Sie in den nächsten fünf Tagen besonders vorsichtig”. Bis zum 13. Juni passierte freilich nichts Aussergewöhnliches, aber angesichts der Tatsache, dass so viele Menschen an Horoskope glauben, eine unvorstellbare Angstmache.

Immer wieder Lob auf den Buddhismus

Gab es früher noch ab und an auch etwas Christliches in BILD – ob nun als Alibi oder nicht –, so kommt dies unter dem seit Anfang letzten Jahres amtierenden Chefredakteur Kai Diekmann kaum noch vor, dafür aber das hohe Lob auf den Buddhismus, wie die jüngste Serie “Die Glücksregeln des Dalai Lama” zeigt. Schon im letzten Jahr hatte es begonnen mit Überschriften wie “Schumi-Manager Willi Weber: Ich bin Buddhist” oder “Die Buddha-Bibel (des Fussballstars Mehmet) Scholl: Hier sind zwölf Weisheiten”. Angesichts all dessen wagt Chefredakteur Diekmann zu behaupten: “Eine Zeitung wie ‚BILD’ muss die Werte, die unsere Gemeinschaft zusammenhalten, pflegen: Familie, Solidarität, Treue, Respekt. Letztlich ist es der Kanon der Zehn Gebote, dem wir uns verpflichtet fühlen.” Genau das Gegenteil ist der Fall! In Werbung und Texten wird geradezu zur Unzucht oder zur Lüge aufgefordert. Das Blatt ist insgesamt Tag für Tag ein einziger Aufruf zum Missbrauch der Zehn Gebote.


Datum: 13.07.2002
Quelle: idea Deutschland

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