Islamisierung in Europa

Mehr Briten konvertieren zum Islam

Im letzten Jahrzehnt ist offenbar eine Rekordzahl von Britinnen und Briten zum Islam übergetreten. Tausende machen den Schritte jedes Jahr – aus Liebe, in ihrer Identitätssuche, aus Überdruss über die haltlose und sexualisierte Jugendkultur, nach ...
Muslime
Die Central-Moschee in Blackpool. (Foto: Wikipedia / Roger W Haworth)

Wenn sich in der Schweiz Konvertiten ins mediale Rampenlicht drängen, schielen sie nach England (siehe Kommentar unten). Die Zahl der Briten, die zum Islam übertreten, dürfte sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt haben – und dies obwohl Muslimen seit dem 11. September 2001 und den Anschlägen von London 2005 weithin mit Misstrauen begegnet wird.

5.000 Übertritte pro Jahr?

Amtliche oder andere zuverlässige Zahlen liegen nicht vor. Laut der Tageszeitung The Independent, deren Reporter Konvertiten befragten, rechnete man bisher mit 14.000 bis 25.000 Übertritten. Die Organisation «Faith Matters» schätzt nun aber, dass jährlich 5.000 Britinnen und Briten die Religion Mohammeds annehmen, zwei Drittel von ihnen Frauen. Dass somit gegen 100.000 Einheimische Muslime geworden sein könnten, wird von Sprechern der islamischen Gemeinschaft für möglich gehalten.

Die Forscher von «Faith Matters» suchten die Zahl der Konversionen (Übertritte) in den Londoner Moscheen zu erheben und kamen auf 1.400 in zwölf Monaten. Auf Grossbritannien hochgerechnet ergab das 5.200 Neu-Muslime. Dies ist laut der Zeitung vergleichbar mit Frankreich und Deutschland, wo man von jährlich 4.000 Konversionen ausgehe. Basis für die neue hohe Gesamtziffer ist die mit einer Hochrechnung der Zahlen der (allein aussagekräftigen) schottischen Volkszählung von 2001 gewagte Schätzung, dass damals über 60.000 Konvertiten im Reich der Queen lebten.

Von der Neugier zum Interesse …

Laut Fiyaz Mughal, Leiter von «Faith Matters», wird kaum mehr bezweifelt, «dass die Zahl der Menschen, die den Islam annehmen, in den letzten zehn Jahren dramatisch zugenommen hat». Dies habe mit der öffentlichen Präsenz des Islam zu tun. «Die Leute wollen herausfinden, worum es im Islam geht.» Manchen gefalle, was sie entdeckten. Ein irischer Konvertit spricht von einem «bemerkenswerten Anstieg der Konversionen in den letzten Jahren». Inayat Bunglawala, Gründer von «Muslims4UK», streicht den missionarischen Charakter des Islam heraus. Besonders an den Universitäten bemühten sich islamische Organisationen aktiv, bei Studenten «Missverständnisse auszuräumen».

… und zum Entschluss

Die Reporter des Independent machten sich auf, um die Motive und Einstellungen von Konvertiten zu ergründen. Denise Horsley (26) arbeitet als Tanzlehrerin in Nord-London. Ihr muslimischer Freund gab den Anstoss dazu, dass sie sich mit dem Islam befasste. «Ich kaufte viele Bücher über alle möglichen Religionen, aber kam immer wieder zum Islam zurück – etwas daran machte einfach Sinn, da gab es auf Antwort auf meine Fragen.»

Denise besuchte eine katholische Schule; sie sieht den Islam als eine «natürliche Erweiterung des Christentums». Ihre guten Freunde seien froh darüber, dass sie glücklich sei und ihre Überzeugung so passioniert vertrete (allerdings hätten einige den Kontakt abgebrochen). Das Kopftuch trägt Denise, die früher im Mini unterwegs war, um Bescheidenheit zu markieren. «Nun fühle ich mich voll beschützt in meinem Kopftuch.» Die Britin sieht sich immer noch als dieselbe Person «abgesehen von der Tatsache, dass ich Alkohol und Schweinefleisch meide und fünfmal am Tag bete». Sie wird ihren Freund bald heiraten.

Des Party-Lebens überdrüssig

Paul Martin (27) hatte die Nase voll von der vergnügungssüchtigen Lebensweise, die er bei Mitstudenten wahrnahm. Vor vier Jahren trat er zum Islam über, nachdem ein älterer, gebildeter Muslim ihm Eindruck gemacht hatte. Wenige Wochen nach dem ersten Gespräch sprach er das Bekenntnis zu Allah und seinem Gesandten aus – in einer Eisdiele. Vorher war er nie in einer Moschee gewesen, und er hätte, sagt er dem Reporter, im College jeden ausgelacht, der ihm den Übertritt vorausgesagt hätte.

Am Islam zieht Martin das Verlangen nach Erkenntnis an. Es sei gut, wenn Menschen sich fürs Leben mit einem Partner zusammentäten und ihrem Körper nicht schadeten. Martin, der nach Mekka gepilgert ist, schätzt den islamischen Lebensstil. «In meiner Moschee in Leeds werden viele verschiedene Sprachen gesprochen und es gibt viele Konvertiten.»

Nach der Scheidung

Stuart Mee (46), ein geschiedener Beamter, wurde Muslim, weil die Religion ihm Gemeinschaft bietet – was er sonst in der britischen Gesellschaft vermisst. Er bewundert die innere Zufriedenheit von muslimischen Kollegen, die nicht dem letzten Schrei nachrennen. Der Londoner Imam habe ihn am Telefon befragt, um sicherzugehen, ob es ihm mit dem Übertritt ernst sei. «Es ist ein Entscheid, der das Leben verändert», sagt Mee, der seinen Namen nicht ändern will. «Der Islam hat mir Frieden, Stabilität und Wohlbefinden gegeben.»

Chadidscha Roebuck ging früher mit ihren Kindern jeden Sonntag zur Kirche. Nach 25-jähriger Ehe geschieden, ist sie Muslima geworden, ohne ihre Beweggründe wirklich zu verstehen. «Es tönt komisch, aber an einem Tag war ich Tracey, die Christin, am nächsten Tag war ich Chadidscha, die Muslima, es schien einfach richtig so.» Die 48-Jährige wusste kaum etwas vom Islam, als sie bei der Moschee vorfuhr. «Nun trage ich den Hidschab (Schleier, der nur Gesicht und Hände freilässt) und bete fünfmal am Tag.»

 

Kommentar: Vorbild für hiesige Konvertiten

Dass der «Islamische Zentralrat Schweiz» (IZRS) die Einheimischen, die zum Islam übergetreten sind, in ihrer Vielfalt nicht repräsentiert, ist klar. Genauso deutlich ist jedoch, dass die in ihm federführenden Konvertiten eben dies beanspruchen. Sie wollen jene Neu-Muslime, deren Platz in der Gesellschaft sich geändert hat, für ihre Ziele vereinnahmen – und dazu die eingewanderten Muslime hinter sich scharen.

Interessanterweise orientieren sie sich für ihre Strategie, die «Institutionalisierung des Islams in der Schweiz» voranzutreiben und ihn mit öffentlich-rechtlicher Anerkennung tiefer zu verankern, an England. Zum «aktiven Prozess der Identitätsbildung als ‚Schweizer Muslime‘», den der IZRS voranbringen will, heisst es auf seiner Webseite: «Ein solcher Prozess findet z.B. in England schon seit Jahren ziemlich erfolgreich statt. Voraussetzung ist die straffe Organisation hiesiger praktizierender Muslime sowie eine permanente intellektuelle Auseinandersetzung mit der Identitätsfrage auf Konferenzen und in Seminaren.»

Die bis anhin «stark vernachlässigte» Identitätsfrage solle «unablässig diskutiert werden». So will der IZRS, dessen Vertreterin im «Club» von SF ihr Gesicht verschleiert hielt, auch «einen wertvollen Beitrag zur Integration muslimischer Immigranten» leisten.

Datum: 06.01.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch / The Independent

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