Trauer um Trajkovski: Er gab Mazedonien Hoffnung

Unübersehbarer Anspruch: neue orthodoxe Kathedrale in der Hauptstadt Skopje
Anhaltende Spannung: ethnische Albaner in Skopje
Im Kurort Ohrid wurde 2001 der Friedensvertrag unterzeichnet.
Tradition über alles: alte orthodoxe Kirche bei Skopje
Unterwegs im bergigen Westen Albaniens
Trajkovski

In Mazedonien, ja auf dem ganzen Balkan, beginnt die Lücke zu schmerzen, die der plötzliche Verlust von „Versöhnungspräsident“ Boris Trajkovski gerissen hat. In einem Raum, wo religiöse Unterschiede zu militanten Gegensätzen werden, ist der Methodistenprediger an der Staatsspitze mit seiner Botschaft vom Religionsfrieden schwer zu ersetzen.

Politische Morde und „Unfälle“ hatten in Südosteuropa schon oft tragische Folgen. Die blutige Spur reicht vom Belgrader Königsmord Anfang des 20. Jahrhunderts über Sarajewo 1914 bis zum Anschlag auf den damaligen mazedonischen Präsidenten Gligorov 1995. Oft schlug dabei die berüchtigte „Schwarze Hand“ zu, ein terroristischer Arm der „Inneren Mazedonischen Revolution“ VMRO.

Dieses explosive Gemisch von mazedonisch-slawischem Nationalismus mit orthodoxem Sendungsbewusstsein bot auch die politische Ausgangsbasis für Boris Trajkovski. Er wurde 1957 in Strumica, im Dreiländereck zu Bulgarien und Griechenland, geboren. Doch waren schon seine Vorfahren der Methodistenkirche beigetreten, als diese vor bald 150 Jahren auf dem Balkan zu wirken begann.

Der junge Theologe, Geistliche und gelernte Rechtsanwalt Trajkovski hielt sich daher in seiner Partei abseits von ihrem mazedonisch-orthodoxen Fanatismus – er blieb ein Aussenseiter. Aber gerade deshalb wurde er mit den Stimmen von albanischsprachigen Muslimen und Balkantürken, Evangelischen und gemässigten Orthodoxen vor fünf Jahren zum Präsidenten gewählt.

Mann des Dialogs

Trajkovskis grosse Bewährungsprobe kam 2001, als die Albanerunrast von Kosovo auf Mazedonien übergriff. Das kleine Land drohte in einen albanischen Westen (mit der halben Hauptstadt Skopje) und in den slawisch geführten Rest der anderen Nationalitäten zu zerfallen.

Doch das Vertrauen in den über den nationalreligiösen Lagern stehenden Präsidenten hielt Mazedonien noch einmal zusammen. Trajkovski machte den Dialog unter den Kirchen und Kontakte von Christen, Muslimen und mazedonischen Juden zur Gegenkraft gegen die balkanische Glaubensfeindschaft.

Jetzt bleibt als einzige Hoffnung, dass diese Bewegung den Tod ihres Gründers überdauern wird. Trajkovski starb nämlich genau zu dem Zeitpunkt, an dem ein kirchlicher Konflikt neu aufgeflammt ist. Es geht um die Unabhängigkeit der mazedonischen orthodoxen Nationalkirche von ihrer serbischen Mutterkirche. Der Streit wird mit Maschinengewehren und Brandbomben, dem sexuellen Missbrauch von Nonnen und Überfällen auf Klöster ausgetragen.

Datum: 28.02.2004
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet.ch

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