Belgrader Kirchenmann warnt: Europa darf Serbien nicht allein lassen

Stanislav Hočevar

Nach dem jüngsten Wahlsieg radikal nationalistischer Parteien in Serbien darf sich Europa nicht von Serbien zurückziehen. Das forderte der katholische Erzbischof von Belgrad, Stanislav Hocevar, bei einer Begegnung mit einer österreichischen Delegation. "Ich sehe das Wahlergebnis als Warnsignal für Europa", stellte der Erzbischof fest. Es zeige die Ängste der Serben vor dem Verlust ihrer nationalen Identität und ihre Unsicherheit über die künftige Rolle des Landes.

Viele Serben denken laut Hocevar, "dass Europa kein Interesse an christlichen Werten hat". Die Radikalen nutzten diese Ängste aus und versprächen den Menschen die Wahrung ihrer Identität. "Europa darf hier nicht zögern und sich entfernen, sondern muss die Ängste der Menschen ernst nehmen und reagieren", so der Belgrader Erzbischof.

Positiv an den Parlamentswahlen vom 29. Dezember sei die hohe Wahlbeteiligung von mehr als 60 Prozent. Serbien befinde sich in einer Übergangsphase. Nach der Ermordung des Hoffnungsträgers Zoran Djindjic habe er grosse Angst gehabt, dass es zu einem Bürgerkrieg kommen könnte, so Hocevar. Das Begräbnis des Ministerpräsidenten "war ein starker Moment für die Menschen in diesem Land. Es gab so etwas wie eine Läuterung, denn die Leute haben Anteil genommen und gesehen, wie wichtig die Demokratie ist".

"Brücken zwischen Ost und West"

Der gebürtige Slowene Hocevar ist seit zwei Jahren Erzbischof von Belgrad. Die katholische Kirche ist in Serbien und Montenegro eine Minderheit, "aber wir wollen genau deshalb als Motor für die Versöhnung des Landes und den Dialog wirken", betonte Hocevar in dem Gespräch: "Unsere Hauptrolle muss es sein, eine Brücke zwischen Ost und West zu bilden".

Im vergangenen Jahr habe es grosse Fortschritte im zwischenkirchlichen Dialog gegeben, berichtete der Erzbischof. Mit der orthodoxen Kirche, zu der sich die grosse Mehrheit der Serben bekennt, habe die katholische Kirche jährliche Gespräche verabredet. Es gebe eine gemischte Kommission, die sich mit aktuellen Problemen pastoraler und theologischer Natur beschäftigt. Auch die Rolle der Kirche in der Gesellschaft werde auf dieser Ebene untersucht.

Die serbische Orthodoxie sei in der gesamten Gesellschaft stark verankert. "Alle fühlen sich orthodox, auch wenn sie nicht gläubig sind, das ist eben Teil der Kultur. Auch die Politik hegt eine starke Affinität zur Orthodoxie. Der Dialog ist unsere einzige Chance. Wir müssen hier stark auftreten für eine ökumenische Dimension", so Hocevar.

500’000 Katholiken in Serbien – die meisten ungarischer Sprache

Von den 10,6 Millionen Einwohnern Serbien und Montenegros sind mehr als 500’000 Katholiken. Die Erzdiözese Belgrad zählt laut Hocevar an die 5’000 Katholiken. Die Diözesen Zrenjanin und Subotica - beide liegen in der Vojvodina im Norden des Landes - zählen 85’000 bzw. 330’000 Glieder, meist Angehörige der ungarischen Minderheit. Daneben gibt es Katholiken im Kosovo und die beiden montenegrinischen Diözesen Bar und Kotor, wo vorwiegend Gläubige kroatischer Nationalität leben.

Datum: 09.01.2004
Quelle: Kipa

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