Als Frau nichts wert

«Warum bist du kein Junge?»

Als Ruth frisch geboren ist, kommt ihre Mutter mit dem Baby auf dem Arm zu ihrem Mann – und der schäumt vor Wut. «Ich will sie nicht. Es ist ein Mädchen. Bring sie doch einfach um!» Was sich für uns unvorstellbar anhört, ist in Südasien traurige Realität: Mädchen gelten als wertlos, ja, sie sind eine erhebliche finanzielle Belastung für ihre Familie.
In vielen Gegenden Südasiens gelten Frauen als minderwertig. Ruth ist eine derjenigen, die aus diesem Teufelskreis ausbrechen konnte.
Freundlich nimmt der Vater sie in den Arm

Ein verzweifelter Wunsch geht nicht in Erfüllung

Monate zuvor schon hatte die Familie ihre Götter um einen Jungen gebeten. Sie hatten bereits drei Töchter, eine weitere war für sie gar nicht mehr vorstellbar, wäre eine Katastrophe. Also beschloss der Vater, auf Nummer sicher zu gehen, und verkaufte einen Acker. Den Erlös gab er einem Priester, der im Tempel für ihn betete und ihm versprach: «Dieses Mal wird es ein Junge…» Als Ruth geboren wird, bricht für den Vater eine Welt zusammen. Das Mädchen überlebt den Tag – und auch die nächsten Jahre, doch diese sind geprägt von Ablehnung.

Lieblosigkeit wird zum Lebensinhalt

Als Ruth fünf Jahre alt ist, nimmt ihr Vater sie mit aufs Feld: Sie soll gefälligst arbeiten. Als Kleidung bekommt sie im Gegensatz zu ihren Schwestern nur Lumpen. Satt wird das kleine Mädchen praktisch nie, obwohl die Familie genug zu essen hat. Oft wird sie ganz ohne Mahlzeit ins Bett geschickt. Überleben kann Ruth nur, weil ihre Mutter es ab und zu schafft, ihr heimlich Nahrungsmittel zuzustecken. Das Kind erlebt und durchleidet täglich Misshandlungen, dazu kommt ihre Einsamkeit. Keiner redet mit ihr – ihr Vater schon gar nicht. Zuwendung und Liebe kennt sie nicht. Jahre später, als sie ausnahmsweise mit der Familie zusammen essen darf, fasst sie sich ein Herz und fragt ihren Vater: «Warum liebst du mich nicht?» Der Vater explodiert und schreit sie an: «Du hättest ein Junge werden sollen!»

Begegnung mit Gottes Liebe

Ruths Frage nach Liebe entsteht überhaupt erst dadurch, dass Missionare ins Dorf kommen. Sie sprechen mit den Familien über Jesus und seine Liebe zu allen Menschen. Beim Zuhören spürt Ruth ihre Defizite, aber sie öffnet sich auch für die Liebe Gottes. Sie erzählt den Missionarinnen ihre Geschichte und merkt: «So viele Tage lebte ich wie ein Bettler um Liebe, in der Hoffnung jemand würde mich lieben, jemand würde für mich sorgen und mich fragen wie es mir geht, aber niemand tat es.» Fast zwei Jahre lang begleiten sie die Missionarinnen. Ruth setzt ihr Vertrauen auf Jesus, beginnt mit ihm zu leben und bekommt eine neue Perspektive.

Vom Fusstritt zum Segen

Irgendwann beschliesst die inzwischen junge Frau, eine Bibelschule zu besuchen. Sie will aber nicht einfach fortgehen. So beugt sie sich vor ihrem Vater auf die Knie und berührt seine Füsse, um ihn wie in ihrer Kultur üblich um seinen Segen zu bitten. Stattdessen gibt er ihr einen Tritt. Trotzdem geht Ruth getrost ihren Weg – sie weiss sich von Gott geführt. Zu ihrer Familie hat sie länger keinen Kontakt. Nach Abschluss ihrer Bibelschulzeit wird sie von einem Pastor in ihr altes Heimatdorf eingeladen. Sie hat zwar Angst vor der Begegnung mit ihrer Familie, doch sie fährt hin. Als sie diesmal vor ihren Vater tritt und sich vor ihm verbeugt, bekommt sie keinen Tritt. Freundlich hebt er sie auf und nimmt sie in den Arm: Während Ruth weg war, wuchs eine tiefe Freundschaft der Missionarinnen zum Rest ihrer Familie. Schliesslich wollten auch ihre Eltern mit Gott leben. Ruth staunt, wie Gott ihre Gebete erhört hat und sie und ihr Zeugnis gebraucht.

Gott schreibt eine neue Geschichte

Die Situation in Südasien ist prekär: Millionen Frauen und Mädchen werden vernachlässigt, gefangen gehalten, diskriminiert, körperlich und sexuell missbraucht – oft von den eigenen Familienmitgliedern. «Mit wem werden diese Frauen ihr Leid teilen?» fragt Ruth. «Es gibt niemanden. Niemand fragt sie, wie es ihnen geht. Sie sind an ihre Familien gebunden. Mein einziges Verlangen ist, dass diese Frauen aus ihrem verzweifelten Kampf befreit werden», fährt sie fort. Und dafür engagiert sich Ruth jetzt. Sie weiss, dass Gott Lebensgeschichten neu schreiben kann – so wie er es bei ihrer eigenen getan hat.

Datum: 15.09.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Gospel for Asia

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