Islam als Garant der Ordnung

Muslime wollen die Scharia

Viele Muslime wünschen mehr altislamische Regelungen in der Gesellschaft, um dem Sittenzerfall und der Korruption zu wehren. Eine Umfrage in sieben Ländern lässt erahnen, wie schwer es islamische und besonders nicht-islamische Minderheiten haben. In Pakistan, Ägypten, Jordanien und Nigeria befürwortet die Mehrheit die Todesstrafe für Muslime, die ihre Religion verlassen.
Muslime beim ṣalāt. (Foto: Wikipedia, Agência Brasil)
Sultan-Ahmed-Moschee in der Türkei. (Foto: Wikipedia, OscarKosy)

Ebenso findet die Mehrheit in diesen Ländern, der Staat sollte die Gesetze ändern und gemäss der Scharia Ehebrecher steinigen und Dieben die Hand abhacken. In Indonesien, der Türkei und im Libanon, wo die Umfrage des Pew Research Center ebenfalls durchgeführt wurde, wollen die meisten Muslime von solchen Strafen hingegen nichts wissen.

«Demokratie» hoch im Kurs

In Nigeria befürworten 58 Prozent der Muslime, aber nur 44 Prozent der Musliminnen die Todesstrafe für Abfall (Apostasie) vom Islam. Zugleich finden – abgesehen von Pakistan – die meisten Muslime Demokratie die beste Regierungsform. Die Zustimmung zu dieser Aussage reicht von 59 Prozent in Ägypten bis 76 Prozent in der Türkei und 81 Prozent im Libanon. In Pakistan wächst der Wunsch nach Demokratie mit dem Bildungsniveau.

Gewaltbereitschaft – auch in Nigeria

Das Pew Research Center fragte auch nach der Berechtigung von Selbstmordanschlägen. Im Hisbollah-Land Libanon bejahten sie 46 Prozent der Schiiten und 33 Prozent der Sunniten, auch in Nigeria sieht jeder dritte Muslim solche Anschläge gegen Zivilisten als gerechtfertigt an, wenn es um die Verteidigung des Islam geht. In Ägypten und Jordanien bejaht jeder fünfte, in Indonesien jeder siebte Muslim solche Anschläge. Diese Anteile können als Beleg für die Verbreitung islamistischen Gedankenguts in der Bevölkerung gelten.

Keine Berechtigung für Suizidattentate sehen 80 Prozent der (davon anhaltenden betroffenen) Pakistani und 77 Prozent der Türken. Seit die Frage 2002 zum erstenmal gestellt wurde, ist der Prozentsatz der Befürworter in allen Ländern gesunken; die Schreckensbilder der vergangenen Jahre dürften das Ihre dazu beigetragen haben.

Extremisten machen Sorge

Die Sorge, dass extreme Muslime ans Ruder kommen könnten, ist weit verbreitet. Im Libanon befürchten dies 80 Prozent der Befragten (Muslime und Christen), in Nigeria 76 Prozent. Dass der islamische Extremismus eine Gefahr für die Welt darstellt, meinen 72 Prozent der Indonesier und 70 Prozent der Jordanier und Ägypter. Die Türken (39 Prozent) sorgen sich weniger.

Pakistani blicken nach Saudi-Arabien

In Pakistan wirkt die drohende Agitation der Islamisten: Sechs von sieben Befragten sagten, sie würden die gesetzliche Trennung von Männern und Frauen an der Arbeit begrüssen. (Viele pakistanische Frauen arbeiten in Saudi-Arabien.) In Ägypten, Jordanien und Nigeria spricht sich immerhin die Hälfte der befragten Muslime für die Trennung aus, am anderen Ende des Spektrums befinden sich die Türkei und Libanon (13 und 11 Prozent).

Anhaltendes Werben um die Herzen

Viele Muslime nehmen das Ringen zwischen modernisierungswilligen Muslimen und Fundamentalisten in ihren Ländern wahr. Von ihnen stellen sich im Libanon 84 Prozent auf die Seite der Modernisierer. In Pakistan sind es 61 Prozent und in Indonesien 54 Prozent. In Nigeria und Ägypten favorisiert dagegen die Mehrheit die fundamentalistischen Hardliner (am Nil hat die schiitische Kampforganisation Hisbollah in den letzten Jahren deutlich an Sympathie verloren).

Religion als positive Kraft

In Nigeria glauben 88 Prozent der Muslime und 62 Prozent der Christen, dass der Islam in der Politik eine bedeutende Rolle spielt. Welches Gewicht er hat und wie seine Weisungen in die Gesetzgebung einfliessen, ist in vielen Ländern umstritten, besonders in Indonesien, dem Inselstaat, der anderen Religionen in der Verfassung prinzipiell den gleichen Status einräumte. 91 Prozent der islamischen Indonesier finden, der Islam habe einen positiven Einfluss auf die Politik. In Ägypten sind es 85 Prozent, in Nigeria 82 Prozent. Bei den Christen des Landes kann nur ein Drittel einen positiven Einfluss des Islam erkennen.

In der Türkei sahen 2002 45 Prozent der Muslime einen starken Einfluss ihrer Religion auf die Politik; nach sieben Jahren unter der Regierung Erdogan sind es 69 Prozent. Viele sehen allerdings die Errungenschaften der laizistischen (Trennung von Religion und Staat) Republik von Staatsgründer Atatürk in Gefahr.

Datum: 07.12.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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