Neue Pfarrer braucht das Land

Paradigmenwechsel in der Aus- und Weiterbildung

Die Ausbildung für Pfarrerinnen und Pfarrer der reformierten Landeskirchen wird vollständig überarbeitet. Das dazu entwickelte 12-Punkte-Kompetenzstrukturprofil für Pfarrer lässt sich gut auch auf freikirchliche Pastoren anwenden.
Juliane Hartmann, Beauftragte für die Ausbildung und Thomas Schaufelberger, Leiter Aus- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer.
Unternehmergeist, Lust am Experimentellen und Kreativität: Thomas Schaufelberger
Ralph Kunz

Zusammen mit Juliane Hartmann hat Thomas Schaufelberger das Profil für die zukünftigen Pfarrerinnen und Pfarrer beschrieben und durch zahlreiche weitere Fachleute und Kolleginnen ergänzen lassen. Grundlage für die Neuausrichtung ist die Einsicht: Weil sich Gesellschaft und Kirche verändern, müsse sich auch die Ausbildung für das Pfarramt verändern. Kern der Neuausrichtung ist ein Kompetenzstrukturmodell für das reformierte Pfarramt (www.bildungkirche.ch).

Achtzehn Deutschschweizer Landeskirchen stehen dahinter und waren am langjährigen Entstehungsprozess des Modells beteiligt. Dieses definiert zwölf Kompetenzen, über die eine Pfarrperson verfügen sollte. Sie reichen von «Glaubwürdig leben» über «Beziehung gestalten» bis zu «Ergebnisse einbringen». Beschrieben ist ein ganzes Set an Fähigkeit, Fertigkeiten und Fachwissen, immer unter Einbezug von Erkenntnissen aus der kirchlichen Praxis, der Psychologie und der modernen Organisationsentwicklung. Das Modell nimmt endgültig Abschied von einer Kirche, die von einem Pfarrer versorgt wird, der schon weiss, was die Leute brauchen.

Ein neues Pfarrerbild, und ...

Das neue Modell setzt die Bereitschaft der neuen Pfarrer voraus, das Evangelium selbst leben und es andern Menschen weitergeben zu wollen. Diese werden aber nicht als Empfänger oder Bediente gesehen, sondern als Menschen, die sich auch im Glauben weiter entwickeln und Verantwortung übernehmen wollen. Die künftigen Pfarrerinnen sollen kompetent in verschiedenster Hinsicht sein und ihre Kompetenzen – von der Organisation bis zur Seelsorge – weiter entwickeln. Die Gemeinde andererseits ist nicht einfach Empfängerin, sondern soll auch kompetent sein und damit eine ernst zu nehmende Gesprächspartnerin für ihrem Pfarrer.

... ein neues Kirchenbild

Diesen Aspekt betont vor allem Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie an der Uni Zürich. Kunz: «Die Vorstellung vom kompetenten Pfarrer wird dann richtig verstanden, wenn sie auf der Vorstellung der kompetenten Gemeinde aufbaut. Und diese ist logischerweise eine Beteiligungskirche gemäss dem reformatorischen 'Priestertum aller Gläubigen'». Es gelte, die pfarrerzentrierte Betreuungskirche zu überwinden. Das entlastet die Pfarrerschaft auch, die zum Teil Angst vor Überforderung durch das neue Modell signalisiert. Denn die Kirche sei schliesslich nicht nur ein menschliches Werk, sondern (auch) Werk Gottes. Kunz: «Gemeindeaufbau ist – beides verbindend – die Frucht einer heiligen Synergie.

An den Pfarrberuf wird die Anforderung gestellt, die eigenen Begabungen bzw. Kompetenzen laufend weiter zu entwickeln und dazu auch überprüfen zu lassen, wofür ein Selbsttext bereitgestellt wird, der dann durch eine Fremdbewertung durch einen Mentor ergänzt wird. Daraus leitet sich dann das Programm der Weiterbildung ab.

Keine Superpfarrer

Das Kompetenzstrukturmodell beschreibt die Begabungen, die insgesamt für den Dienst in der Kirche nötig und erwünscht sind. Es setzt aber nicht voraus, dass die Pfarrerin diese alle erreicht. Aber es kann deutlich machen, wo sich Lücken zeigen, die im aktuellen Dienstbereich und in der aktuellen Gemeinde Probleme schaffen, und an denen gearbeitet werden muss. Es gehe nicht um die Züchtung eines Superpfarrers, weist Schaufelberger entsprechende Kritik zurück.

Neue Betonung der Spiritualität

Gegenüber früher fällt in diesem Modell aber auf, dass auch der geistlichen Dimension, der Spiritualität, eine wichtige Rolle zugeteilt wird. Die erste der 12 Kompetenzen wird denn auch mit «Leben aus dem Evangelium» beschrieben. In der Beschreibung dazu heisst es: «Er verbindet eigene Glaubenspraxis und Handeln erkennbar.»

Grundlage für ein neues Miteinander

Das lebenslange Lernen, die Arbeit an fehlenden Kompetenzbereichen und die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit (Charakter) sind Merkmale des neuen Konzepts, wie sie ähnlich an der letzten Leiterkonferenz der Freikirchen auch für Prediger und Pastoren formuliert wurden. Gemeindeaufbau und der Einbezug der Gläubigen in diesen Prozess ist ein Thema, das jetzt beide Kirchenformen relevant geworden ist. Damit ist auch eine Grundlage für ein neues Miteinander der Landes- und Freikirchen vor Ort gelegt.

Zur Webseite:
Aus- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer

Zum Thema:
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Datum: 10.10.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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