Voneinander lernen

Ein Atheist im Gottesdienst

Sanderson Jones, ehemaliger Comedian und Mitbegründer der Sonntagsversammlung (auch bekannt als «Atheistenkirche»), besuchte an einem Sonntag drei verschiedene Gottesdienste in London. Seine Besuche fasste er als Bericht zusammen. Dabei zeichnete er ein durchaus freundliches und differenziertes Bild der christlichen Versammlungen.
Sanderson Jones
Die St Luke's-Kirche
Hillsong London West End
St Mary's Church in London

Das Ganze begann als Besuch bei seinem Freund Dave Tomlinson, einem Londoner Pastor. Dabei beschloss Sanderson Jones spontan, noch weitere Gottesdienste zu besuchen. Entgegen der landläufigen Meinung empfand der bekennende Atheist die besuchten Kirchen dabei als einladende Orte. Er unterstrich: «Die Kirchen machen so vieles gut und richtig», wobei er zum Beispiel an den Begrüssungsdienst dachte, der für die meisten Gemeinden eine Selbstverständlichkeit ist.

Die Sonntagsversammlung

Jones sah seine Kirchentour als Inspiration: Er war auf der Suche nach Elementen, die sich für die Sonntagsversammlung verwenden lassen. Diese gründete er 2013 mit Pippa Evans zusammen in London. Inzwischen haben die atheistischen Treffen, die fast wie ein Gottesdienst ablaufen, Ableger in den USA, Australien, Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Ungarn. Es gibt Musik, eine Rede, selbst eine Kollekte wird erhoben. Das Motto der Sonntagsversammlung lautet: «Lebe besser, hilf oft, denk mehr nach.»

Greifbare Spiritualität in St Luke's

In der Kirche St Luke's wollte Sanderson Jones gern am Abendmahl teilnehmen, war sich aber nicht sicher, ob man ihm dies als bekanntem Atheisten erlauben würde. Nachdem sein Freund, Pastor Tomlinson, ihn dazu ermutigte, hielt er fest: «Ich hatte mich gefragt, ob ich hier willkommen geheissen und einbezogen würde, und fand dies sehr bewegend. Was geschah, war grossartig.» Besonders beeindruckt war der Atheist davon, dass beim Abendmahl Vergebung und Gnade greifbar wurden, und er fragte sich, was er davon lernen könnte. «Es ist ein Gedanke, den man schmecken kann.»

Hohe Professionalität bei Hillsong

Im Londoner Hillsong-Gottesdienst war Jones beeindruckt vom hohen Grad der Professionalität. Er lobte besonders die Musik. «Selbst die Videomontage zu Beginn war wirklich gut.» Das Einspielen von leiser Musik auch während der Predigt sehen manche als manipulativ an. Nicht so Jones. Er erklärte, dass es im Kreativbereich normal wäre, Musik zu verwenden, um das eigene Anliegen zu unterstreichen. Es sei völlig legitim, dass die Gemeinde dies auch nutze.

Der ehemalige Comedian machte sich an keiner Stelle lustig über Stil und Inhalt des Gottesdienstes in der Megagemeinde. Stattdessen erkannte er an, dass hier Menschen all ihr Können und ihre Kreativität für den einsetzen, den sie über alles lieben – Gott. «Sie haben eine Art gefunden, so begeisternd von Jesus zu reden, dass sie massenhaft Menschen ansprechen und involvieren.»

Nachdenkliche Innerlichkeit in St Mary's

Beim Gottesdienst in St Mary's erlebte er eher nachdenkliche Seiten – etwas, das seiner Meinung nach in unserer Gesellschaft meist zu kurz kommt. Sich selbst nannte er in diesem Zusammenhang einen «mystischen Atheisten», weil er sich stark dafür interessierte, wie christliche Mystik die Beziehung zu Gott beschreibt. Er erklärte: «In der säkularen Welt tun wir uns schwer damit, Menschen mit dem Teil ihrer Persönlichkeit in Verbindung zu bringen, der sich göttlich anfühlt.» In diesem Gottesdienst boten Christen Jones an, für ihn zu beten. Er beschrieb diese Erfahrung folgendermassen: «Es ist sehr intensiv. Du bekommst eine Hand auf die Schulter gelegt, sie sagen freundliche Dinge zu dir, und das Ganze ist sehr emotional.» Jones sah dies als wichtige Erfahrung für sich persönlich und rechnet mit positiven psychischen Effekten, wenn ähnliche Elemente in der Sonntagsversammlung stattfinden sollten: jemandem die Hand auf die Schulter legen und ihm gute Dinge zusprechen. «Ich finde es erstaunlich, dass wir Menschen dies alles empfinden können», fasste er zusammen.

Und das Fazit?

Man mag von Jones Kirchentour halten, was man will, jedenfalls steht sie für einen entspannten Umgang von Atheisten und Christen. Gegenseitiges Kennenlernen, ein Fragen, was man vom jeweils anderen lernen kann, sind schon positive Ansätze. Und den Christen, die sich darüber ärgern, dass hier jemand den Rahmen der Gottesdienste kopieren will, ohne etwas mit Gott zu tun zu bekommen, sei gesagt: Geklaut wird nur, was gut ist...

Zur Webseite:
Sonntagsversammlung (Sunday Assembly) Hamburg

Zum Thema:

Datum: 01.04.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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