«Warum Christen leicht lügen»

Nur die ganze Wahrheit macht uns frei

«Ehrlich glauben» heisst das neuste Buch von Ulrich Eggers. Sein Untertitel: «Warum Christen so leicht lügen.» Moment mal – Christen und Lügen? Wie passt das zusammen? Eggers gelingt es, gerade «gestandenen» Christen den Spiegel vorzuhalten. Er macht es aber nicht mit erhobenem Zeigefinger.
Ulrich Eggers
Cover des Buches «Ehrlich glauben: Warum Christen so leicht lügen» von Ulrich Eggers
Redaktor Thomas Feuz

«Menschen sind Fassadenbauer. Leider auch Christen. Fassadenbauen schafft Ruhe, Stärke, Unverletzlichkeit, nährt meinen Stolz.» Der Autor zeigt auf, wie hohe Ansprüche an sich selbst und hohe Erwartungen von anderen unser Verhalten beeinflussen. Statt zu Schwächen oder Zielverfehlungen zu stehen, suchen viele den Ausweg in Halbwahrheiten oder Notlügen. Man bewahrt zwar so nach aussen das Gesicht, leidet aber nicht selten innerlich.

Leben in Fülle als Ziel

Der Autor Ulrich Eggers ist Pastor, Publizist und Mitbegründer von Zeitschriften wie family (1992), dran (1993), Aufatmen (1995), Joyce (2001), lebenslust und Faszination Bibel (2010). Er schrieb 1985 sein erstes Buch und ist Verlagsleiter des SCM Bundes-Verlags in Witten/D (Stiftung Christlicher Medien).

Ständig ein Doppelleben zu führen kostet Kraft, ist Eggers überzeugt. Viele schaffen den Spagat zwischen der «starken Fassade» und der schwachen und verletzlichen Wirklichkeit auf Dauer nicht. Egger macht Mut zum «Coming-out». Sein Tipp gleich in der Einleitung des rund 200-seitigen Buchs: «Das fromme Doppelleben verlassen und zum Leben als ganze und wahre Menschen finden, auf das Gott die Fülle seiner Verheissungen legt.»

Stolpersteine auf dem Weg

Was tun, wenn ich die in mich gesetzten Erwartungen nicht erfülle? Kann ich dazu stehen oder vertusche ich? Verstricke ich mich in Halbwahrheiten, um einigermassen gut dazustehen? Oder spiegle ich gar ein Bild vor, das der Realität hinten und vorn nicht entspricht?

Eggers bringt den grossen Gegenspieler des Schöpfers ins Spiel. «Der Teufel geht nicht nur umher wie ein brüllender Löwe, sondern kann auch flüstern», zitiert er. «Still und heimlich bedient er die Klaviatur unseres Strebens nach Zugehörigkeit und Anpassung, nach Lob und Bestätigung, um uns hinter Fassaden zu treiben und lahmzulegen.»

Beim Lesen dieser schonungslos offenen und gerade deshalb so wohltuenden Lektüre erlebte ich immer wieder ein Déjà-vu. Eggers nennt eintrainiertes Fehlverhalten beim Namen, deckt manipulative Tendenzen schonungslos auf. Ein konkretes Beispiel dafür: Gemeindewachstum. «Du musst 'nur' das Richtige tun, um deine Gemeinde ganz schnell wachsen zu lassen: Nimm Willow Creek! Nein, nimm Rick Warren. Oder nein, noch besser: Du musst es nur 'richtig biblisch' tun…» Eggers mag ein wenig überzeichnen. Trotzdem: Dutzende von Kongressen und Konferenzen verleiten zum Schönreden und Schönen von Zahlen, wenn man als Pastor oder Gemeindeleitung nicht zu den «Verlierern» gehören will…

Die Alternative

Doch Eggers bleibt nicht bei der Analyse stecken. Und Vereinfachungen wie «Kehre um und es wird alles gut», sind schon gar nicht sein Ding. Vielmehr zeigt er Wege aus der Sackgasse der Selbstgefälligkeit und des Gruppendrucks auf. Er macht Mut, Visionen zu entwickeln, grosse Ziele in kleinen Schritten zu erreichen, im Vertrauen dran zu bleiben. «Das grosse Brötchen – der grosse Traum, die grosse Veränderung, der grosse Durchbruch – besteht aus der Bereitschaft, kleine Brötchen zu backen. Immer wieder, jahrelang, mit grosser Treue. Durchhalten, einfach das Richtige tun. Das Richtige immer wieder tun.»

Dieser Gedanke der grossen Treue im Kleinen hat mich beeindruckt. Vielleicht wäre weniger wirklich mehr? Weniger hochgesteckte Ziele, dafür mehr echte, ungeschönte Teilresultate, auf denen sich gemeinsam weiter aufbauen lässt?

Als Widmung schrieb Ulrich Eggers «Weil Wahrheit frei macht… Herzlich» in mein persönliches Buchexemplar. Die Welt wäre sicher christlicher, wären Christen ehrlicher. Es kostet Kraft und Mut, gegen Fehler, kleinkariertes Vereinsdenken, geistliche Arroganz oder theologische Haarspaltereien anzutreten. Fehlleitung oder Manipulationen zu erkennen, sich Selbsttäuschungen einzugestehen und das Ganze neu aufzugleisen gehören zu einem längeren Prozess. Wer sich auf diesen Weg macht, erlebt keinen Sonntagsspaziergang. Aber er wird die Erfahrung machen, wie wohltuend ein echtes, authentisch gelebtes Leben ist. Eggers wohl wichtigster Rat: «Hören wir auf, dem Teufel zuzuhören!»

«Ehrlich glauben» macht Mut zu einem anderen Weg: «Geistes-gegenwärtiger leben. Rücksichtsloser glauben. Gehorsamer handeln. Die Sachen aus dem Kopf in Mund, Hände und Füsse bekommen – nicht irgendwann, sondern gerade jetzt!»

In Kürze

«Ehrlich glauben. Warum Christen so leicht lügen» hält wohl den meisten Christen einen Spiegel vor. Der Autor erhebt nicht nur den Mahnfinger, sondern baut Brücken und hilft, Fehlverhalten und Manipulation zu erkennen. Praktische Tipps und Beispiele aus dem Kirchen- und Gemeindealltag und zeigen realistische Lösungsansätze auf.

Ein Buch für: alle, die sich nicht vor einer Begegnung mit sich selber und unterschwellig vorhandenen Mechanismen und Eigenarten scheut.
Weniger geeignet für: pedantische Rechthaber, Besserwisser, Manipulatoren.

Zum Autor:

Der Autor ist Texter bei der Jordi AG – das Medienhaus in Belp und Redaktor von ideaSpektrum Schweiz.

Zum Thema:
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Datum: 29.03.2015
Autor: Thomas Feuz
Quelle: Livenet

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