Das Potenzial erkennen

Neue Religionsstudie fordert Kirchen heraus

Die Studie «Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft» des Lausanner Religionssoziologen Jürg Stolz und seinen Co-Autoren bringt auf den ersten Blick wenig Überraschendes. Doch ein zweiter Blick lohnt sich.
Kirche (Symbolbild)
Das Buch vom Lausanner Religionssoziologen Jürg Stolz und seinen Co-Autoren

 

Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in sieben Thesen zusammen:

1. These

Die grundsätzlich festgestellte religionskritische Tendenz ist nicht überraschend, sie wird täglich von negativen Schlagzeilen über islamischen Extremismus, sexuellen Missbrauch durch Priester oder evangelikale Fundis genährt. Die Schlagzeilen prägen die Wahrnehmung in der Bevölkerung.

2. These

Landeskirchen brauchen eine Strategie. Die Landeskirchen hätten keine besonders rosige Zukunft, sagt Jürg Stolz in einem Interview. Doch mehr Marketing allein kann es nicht richten. Wachsende Beteiligung verzeichnen landeskirchliche Gemeinden, wo aktiv der Zugang zum persönlichen Glauben in Gottesdienst und Kursen vermittelt wird.

3. These

Leiter und Mitglieder evangelischer Freikirchen brauchen überzeugende Antworten für die kritische Anfrage an religiöses Engagement. Die grundsätzliche kritische Haltung an Religion fordert sie heraus, zu zeigen, dass Glaube nicht zu Extremismus, sondern zur besseren Bewältigung des Lebens führt und zur Nächstenliebe befreit.

4. These

Die Nähe zwischen Evangelikalen und Katholiken nimmt zu. Immerhin 23% der Katholiken (und 15% der Reformierten) beteiligen sich aktiv am Kirchenleben, wie eine frühere Studie schon 2011 feststellte, weil sie darin ihren Lebenssinn sehen. Und die Werte von Katholiken und Freikirchlern sind sich – abgesehen vom Kirchenverständnis – sehr ähnlich, wie auch der neue Papst Franziskus deutlich macht. Insgesamt weist die Studie jetzt 18% «Institutionelle» aus gegenüber insgesamt 15,5% im Jahr 2011. Bei den Freikirchen sind es 85% (2011).

5. These

Die staatlichen sozialen Auffangnetze zeigen Schwächen, und die Leistungen werden zum Teil schon abgebaut. Das könnte den Kirchen eine erhöhte Bedeutung geben. Sie haben Spitäler, Schulen und soziale Netzwerke aufgebaut, bevor diese verstaatlicht wurden. Ihre Fürsorge dürfte in Zukunft wieder stärker gefragt sein.

6. These

Die Schweiz zählt ca. 1.3 Mio. aktive Christen in Landes- und Freikirchen. Ihr Glaube weist zwar eine grosse Bandbreite auf (Ich-Gesellschaft). Doch es sind Menschen, die sich in Gemeinden und darüber hinaus in christlichen Werken engagieren, weil sie auf ein ewiges Leben hoffen. Welch ein Potenzial!

7. These

Die Studie folgt Gesetzmässigkeiten anderer Studien und schreibt die (negative) Entwicklung auch in die Zukunft fort. Einen Trend einfach weiterzuschreiben genügt aber nicht. Die Geschichte zeigt, dass es immer wieder Trendbrüche und neue Entwicklungen gibt. Mit (positiven) Überraschungen darf gerechnet werden.

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Datum: 29.10.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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