Die Bibel verstehen

Die Brillen der Bibelleser reinigen

Es gibt die Brille der Pietisten, der Evangelikalen, der Liberalen ... Jeder liest die Bibel nach einem Vorverständnis, das er sich angeeignet hat. Aber kann man die Bibel auch ohne Brille lesen?
Peter Opitz, Professor für neuere Kirchen- und Theologiegeschichte

Wie die Brillen, mit denen die Bibel gelesen werden kann, aussehen, beschrieb Peter Opitz, Professor für neuere Kirchen- und Theologiegeschichte an der Universität Zürich. An einer Tagung zum Thema «Der Schatz im Cellophan» sagte Opitz am 19. November in Aarau: «Die Bibel will provozieren», sie wolle aber auch ermutigen, einen Weg mit ihr zu gehen. Dabei sollten sich Leser davor hüten, mit einem festen Vorverständnis an sie heranzugehen. Denn so könne sie ihre Wirkung verlieren. Jede Perspektive auf die Bibel – auch die pietistische – eröffne etwas, verschliesse aber auch Wichtiges.  Das Ziel des Bibellesens müsse sein, die Bibel so zu lesen «dass wir Gott als sein eigener Zeuge reden lassen». Die Bibel sei einem «Zelt der Begegnung mit den ersten Zeugen» zu vergleichen. Opitz griff zu einem Vergleich: «Gottes Wort scheint durch die menschlichen Zeugenworte hindurch wie das Licht durch Kirchenfenster.»

Verstehen und hören

Es gebe, so Opitz zwar Methoden, die Texte der Bibel besser zu verstehen, aber keine Methode, sie als Wort Gottes besser zu hören. Dazu gebe es nur eine richtige Haltung, nämlich Gott um den Heiligen Geist zu bitten. Im Geistverständnis liege der Schlüssel, Gottes Stimme zu hören.

Opitz warnte auch vor einem verbreiteten Missverständnis. Die Bibel sei kein Kompendium der göttlichen Gesetze – sondern «ein Buch, in dem es Geheimnisse zu entdecken gibt – und wo wir selbst immer daran sind, neue Geheimnisse zu entdecken».

Unsere Kultur sei aber von einem jahrhundertealten Zwangschristentum geprägt. Das Evangelium als Zentrum der Bibel müsse – gegen das verbreitete gesetzliche Verständnis der Bibel – als befreiende und froh machende Botschaft verkündet werden.

«Das Interesse an der Tagung war gross. Die 145 Teilnehmenden brachten den Tagungsort, das Theologisch-Diakonischen Seminar Aarau (TDS), an seine Kapazitätsgrenze. Zu den acht Veranstaltern gehörten nebst Organisationen wie dem Bibellesebund, der VBG und den Wycliffe-Bibelübersetzern auch die Erwachsenenbildungsstellen der römisch-katholischen und der reformierten Landeskirche des Kantons Aargau.

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Datum: 24.11.2011
Autor: Fritz Imhof

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