Konferenz in Kapstadt

«Wenn nicht eine Reformation in unseren Herzen geschieht…»

Die Lausanner Bewegung für Weltevangelisation hat die Christen weltweit zu Demut, Integrität und einem einfachen Lebens- und Arbeitsstil aufgerufen. Der selbstkritische Appell zur Umkehr gehörte zu den stärksten Akzenten der dritten Weltkonferenz der Bewegung, die letzte Woche in Kapstadt stattfand.
Zuerst das eigene Haus in Ordnung bringen: Chris Wright.
Diskutieren, beten und feiern: der Dreiklang von Kapstadt.
Wie wird die Bibel mündlich weitergegeben? Interkultureller Austausch.
Die Hälfte der Menschen weiss nicht von Jesus: Paul Eshleman.
Im Schlussgottesdienst. Rechts der Konferenzleiter Doug Birdsall.

Mit der Wahrheit und der versöhnenden Kraft des Evangeliums hatten sich die gut 4000 Vertreter von Kirchen und Bewegungen aus fast 200 Ländern am Montag und Dienstag befasst. An den folgenden Tagen waren globale Herausforderungen (radikaler Säkularismus, religiöser Extremismus, Armut, Menschenhandel, Umweltzerstörung, Kriege) im Fokus. Wie die Evangelikalen und die Christen der Welt insgesamt darauf antworten können, beschäftigte die Konferenz zum Abschluss.

«Unser Versagen tut Gott weh»

«Was Gott am meisten weh tut, ist nicht allein die Sünde der Welt, sondern das Versagen, der Ungehorsam und das Widerstreben jener Menschen, die er erlöst hat», sagte Chris Wright, Leiter der Theologischen Arbeitsgruppe der Lausanner Bewegung.  «Das grösste Problem für Gott ist sein eigenes Volk.» Der Heilige Geist müsse Gottes Volk läutern, äusserte Wright im Samstagmorgen-Plenum. «Wenn nicht eine Reformation in unseren Herzen geschieht, gibt es wenig Hoffnung für uns.»

Bibelorientiert-missionarische evangelische Christen (Evangelicals) sind laut dem britischen Theologen vor allem drei Versuchungen ausgesetzt: Sie neigen dem Götzen von Macht und Stolz, dem Götzen von Popularität und Erfolg und dem Götzen von Reichtum und Gier zu huldigen. «Die Reformation der Kirche ist einmal mehr verzweifelt nötig», klagte Wright mit Verweis auf die alttestamentlichen Propheten – sie solle mit jenen beginnen, die sich ‚evangelical‘ nennten und versagt hätten. «Lasst uns sein, was wir sind: Sein Volk in Demut, Integrität und Einfachheit – um Gottes willen, um unserer Sendung willen, für die Welt.»

Evangelium – nicht für den eigenen Wohlstand

Femi Adeleye von der Studentenmission IFES hielt fest, dass das 'Prosperity Gospel' nicht mit dem Vorbild und der Lehre von Jesus zu vereinbaren und daher abzulehnen ist. Christen dürften nicht dazu gebracht werden, Reichtum und Wohlbefinden als Selbstzweck anzustreben. Christen dürften nicht predigen, was den Armen ihre Würde nehme. Menschen kämen nackt zur Erde und gingen nackt dahin, sagte Adeleye. «So sollten wir als Pilger leicht reisen und einfach leben.» Wer das Wohlstands-Evangelium gepredigt und gelebt habe, solle Busse tun und sich davon abwenden.

Aufruf zum öffentlichen Engagement

Die Konferenz endete mit der Vorstellung der Kapstadt-Verpflichtung (The Cape Town Commitment). Der erste Teil der Erklärung, eine Botschaft über christliches Handeln in der Liebe des dreieinen Gottes, liegt vor; der zweite Teil mit konkreten Impulsen wird in den kommenden Monaten fertiggestellt. «Wir wollten zuerst und vor allem die Einzigartigkeit von Jesus und die Wahrheit des Evangeliums der Bibel bekräftigen», sagte Lindsay Brown, der Leiter der Lausanner Bewegung, in seiner Schlussansprache. Die Evangelikalen hätten sich bisher bemüht, die Gute Nachricht von Jesus zu allen Volksgruppen zu bringen, hätten aber dabei oft Lebensbereiche und namentlich das öffentliche Leben vernachlässigt. «Wir müssen uns vertieft mit allem befassen, was Menschen anpacken – und den Ideen, die dabei wirken.» In Politik, Wirtschaft und im Bildungswesen müsse das Evangelium eingebracht werden.

Chinesen nicht in Kapstadt

Betroffenheit machte sich in Kapstadt breit, als bekannt wurde, dass die Volksrepublik China die 200-Personen-Delegation nicht hatte ausreisen lassen (während Hunderttausende von Chinesen in Afrika arbeiten!). Die Veranstalter hatten sich im Vorfeld besonders um die Chinesen bemüht, die schon an den ersten Weltkonferenzen 1974 und 1989 nicht hatten teilnehmen können. Der Leiter der Delegation teilte mit, man habe den Entscheid der Regierung ruhig und hoffnungsvoll angenommen. Man bleibe im Gebet verbunden. Unter den im Grusswort verlesenen Bibelworten war Philipper 1,29: dass zum Leben mit Christus auch das Leiden für seine Sache gehört. Ein Lied, das die Chinesen einbringen wollten, wurde von den in Kapstadt Versammelten an ihrer Stelle gesungen. Drei Ostasiaten beteten dann für das weitere Wirken der chinesischen Christen – vielleicht der aktuell stärksten missionarischen Bewegung weltweit.

Jesus am Arbeitsplatz

Zu den bestbesuchten Podien gehörte «Evangelisation in der Arbeitswelt». Die von Willy Katiuga geleitete Diskussion wurde am Samstag wiederholt. Katiuga hatte im Vorfeld die Trennung von (heiliger) Kirche und Arbeitswelt kritisiert. Es gehe darum, an der Arbeit dem Evangelium Gestalt zu geben, mit einem Leben, «das Gnade und Wahrheit spiegelt». Sein Online-Paper wurde fast 13.000 mal angeklickt.

Die Kirche ist nach Katiuga berufen, «Gottes Leben in die Arbeit hineinzublasen». Jede Firma tue gut daran, Rechenschaft, Verantwortung, Streben nach dem Besseren, Teamwork, Lern- und Risikobereitschaft, Vergebung, Unterstützung und die Fähigkeit zu feiern zu kultivieren. Die Online-Diskussion wurde von den sechs Teilnehmern des Podiums ausgewertet. Dabei wurden Gemeindeleiter aufgefordert, den Erwerbstätigen eine christliche Sicht der Arbeit zu vermitteln. In einer Gemeinde in London erzählt jeden Sonntag jemand von seiner Arbeit und es wird für ihn gebetet. Für Willy Katiuga ist der Ruf in säkulare Berufe «genauso wichtig wie der Ruf in den geistlichen Dienst».

Menschen ohne Evangelium…

Am Mittwoch ging es im Hauptprogramm um die Menschen, denen das Evangelium nicht mitgeteilt worden ist. Der Gründer des Jesus-Film-Projekts Paul Eshleman forderte die Delegierten auf überlegen, wo die Kirche nicht präsent ist. «Was tun wir, um es zu ändern?» Obwohl Christen seit bald 2000 Jahren unterwegs seien, gebe es überall auf der Welt Menschen, die von Christus nichts wüssten. Eshleman erinnerte die Konferenz an den Appell des Missionswissenschaftlers Ralph Winter in der ersten Konferenz in Lausanne 1974. Winter hatte betont, dass dieser Auftrag – in allen Volksgruppen der Erde Menschen zur Nachfolge von Jesus zu führen – erfüllbar sei.

…auch in den Mega-Städten

Im Vordergrund stehen Menschen in den grossen nichtchristlichen Religionen: Muslime, Hindus und Buddhisten. 100 Jahre nach der Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 machen sie laut Eshleman noch immer 50 Prozent der Weltbevölkerung aus. «Trotz allen Durchbrüchen, die wir gesehen haben, müssen wir weiter überlegen, wie wir diesen Volksgruppen Liebe und Fürsorge erweisen können.» Durch die Landflucht lebt zum erstenmal in der Geschichte die Mehrheit der Menschheit in Städten. Die Kirchen in den Megastädten des Südens sind, wie ein Kenianer sagte, regelmässig überfordert: Ermächtigen sie die Menschen vom Land nicht zum Erwerbsleben, ist auch ihre Botschaft kaum relevant. Aber, so Moss Ntlha von er südafrikanischen Evangelischen Allianz: «Die Verstädterung bringt jeden näher zu dir.»

Vielfältigste christliche Konferenz

Aus der Schweiz reisten 26 Personen nach Kapstadt, aus Deutschland 90 und aus Österreich acht.Das Internet machts möglich: In den Augen der Veranstalter dürfte die Konferenz an Grösse und weltweiter Beteiligung alle bisherigen christlichen Veranstaltungen übertroffen haben. Die Plenumsverhandlungen in Kapstadt wurden an 650 Orte in 91 Ländern übertragen. Schätzungsweise 100.000 Christen verfolgten sie. Auf die Website, die zahlreiche Videos, Papers und Diskussionsbeiträge enthält, gab es während der Woche 100.000 Zugriffe aus 185 Ländern. Die Diskussionen gehen online weiter.

Die Konferenz organisiert hatten die (einst von Billy Graham lancierte) Lausanner Bewegung und die Weltweite Evangelische Allianz. Sie endete am Sonntag mit einem Abendmahlsgottesdienst unter Leitung des ugandischen anglikanischen Erzbischofs Orombi. In Gebrauch waren 100 Abendmahlsgeschirre, die von hundert Ortsgemeinden ausgeliehen worden waren. «Sie stellen das Gedenken an den Tod von Christus durch viele Länder hindurch dar», sagte Konferenzleiter Doug Birdsall. «Wir sind eine globale Bewegung, der Ortsgemeinde verpflichtet.»




Datum: 27.10.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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