Zeitzeichen

Gerechtigkeit erhöht ein Volk...

Neuere Volksinitiativen wollen mit einer Radikallösung Recht und Ordnung schaffen. Sie ritzen damit schrittweise eine hohes Gut in der Bundesverfassung: Das Streben nach Gerechtigkeit – auch für die Fehlbaren. Sie verstossen damit gegen den Geist des Evangeliums. Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Waage der Gerechtigkeit (Bigstock: 46278739)

Sie wollen Kleinkriminelle aus dem Land werfen oder Menschen mit pädophilen Neigungen für immer verbieten, mit Kindern zu arbeiten. Sie wollen mit einfachen Rezepten Probleme für immer lösen. Die Justiz wehrt sich dagegen, allen voran mit Beharrlichkeit die Justizministerin. Sie appelliert an das Prinzip der Verhältnismässigkeit – und wird dennoch vom Parlament überstimmt.

Mit dem juristischen Begriff «Verhältnismässigkeit» ist letztlich gemeint, dass auch einem Straftäter Gerechtigkeit widerfahren soll. Die Umstände, wie es zum Verbrechen gekommen ist, sollen beim Urteil berücksichtigt werden, auch seine persönliche Geschichte. Und dies auch dann, wenn eine von den Medien aufgepeitschte Öffentlichkeit Rache will. Der Rechtsstaat soll auch mit den Fehlbaren gerecht umgehen.

Gerechtigkeit ist ein zutiefst biblischer Begriff. Die ganze Reformation drehte sich darum: Gott schafft uns Gerechtigkeit – durch Jesus Christus. Er spricht uns gerecht in der Vergebung – und er macht uns gerecht durch die Veränderung, die der Glaube im Leben bewirkt.

Dass selbst in westlichen Staatswesen Gerechtigkeit als zentrales Leitmotiv in der Justiz – und in den Verfassungen - einkehrte, ist eine grosse Errungenschaft. Sie wäre ohne den christlichen Boden, auf dem die westlichen Gesellschaften aufbauen, nicht denkbar gewesen. Christen sollen somit zuallererst alarmiert sein, wenn sie relativiert oder gar in Frage gestellt wird. Wenn also einfache Lösungen umgesetzt werden sollen, wie sie etwa in der Ausschaffungsinitiative gefordert werden, kann das ein erster Schritt zur Demontage unseres Rechtswesen sein.

Es gibt eine Tendenz zu pauschalen Lösungen für aktuelle Probleme, die ihre Wurzel eher am Stammtisch als am runden Tisch hat. Minarettinitiative, Zweitwohnungsinitiative, Pädophileninitiative und Ausschaffungsinitiative. Sie nehmen in Kauf, Ungerechtigkeiten zu schaffen oder gar den hart erkämpfen Kodex der Menschenrechte zu ritzen. Denn damit lässt sich gleichzeitig politisches Kapital gewinnen. Vielleicht laufen wir auf eine Situation zu, wo nicht nur christliche Parteien gegensteuern müssen, sondern auch wache Christen überall in den Kirchen und Gemeinden. Oder irre ich mich, dass sich auch etliche Christen von den Schalmeien der Populisten anstecken lassen? Der Rechtsstaat muss es uns wert sein, ihn zu verteidigen, auch wenn das Bauchgefühl manchmal lieber «ein Zeichen setzt». Wie heisst es schon im Buch der Sprüche (14,34): «Gerechtigkeit erhöht ein Volk, die Sünde aber ist der Leute Verderben!» Und es kann Sünde sein, den Populisten zu folgen.

Datum: 12.04.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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