Armut weltweit - und bei uns

Armut
Bettlerin

Laut der soeben erschienen Studie "Arme sterben früher" der Caritas Schweiz sind Arme und weniger gut ausgebildete Menschen häufiger krank als wohlhabende und sterben früher. Die jüngsten Diskussionen konzentrieren sich oft einseitig auf die kurzfristigen, ökonomischen Aspekte im Gesundheitswesen, kritisiert Caritas Schweiz und startet deshalb eine Debatte.

Arme sterben früher

Jürg Krummenacher, der Caritas-Direktor, verdeutlicht, dass soziale Ungleichheit auch die Lebenserwartung betreffe. Eine kantonale Studie aus Genf belege, dass 85% der Architekten und Ingenieure das AHV-Alter bei guter Gesundheit erreichten, während dies bei den Bauarbeitern lediglich 57% seien. Beim obersten Management und den freien Berufen liege die Mortalität rund 48 % unter, bei ungelernten Angestellten und Arbeitern jedoch bei 40% über dem Durchschnitt.

Die "Neue Armut"

Laut Statistik leben 10% der Schweizer Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Das Thema "neue Armut" ist aktueller denn je. Seit sich das wirtschaftliche Klima abgekühlt hat, steigen die Arbeitslosenzahlen und gute Arbeitsplätze sind rar.

Andreas Zehnder, Zentralsekretär der Winterhilfe Schweiz, äussert sich anlässlich der neusten Sammlung in einem Interview mit dem "Höfner Volksblatt" wie folgt dazu: "Wenn man von Armut spricht, muss das ganze Spektrum der Lebensbedingungen betrachtet werden. Nur die Einkommensschwäche und die damit verbundenen Zahlungsschwierigkeiten sind nicht allein ausschlaggebend. Das Thema ist komplex. In der Regel geht es armutsbetroffenen Menschen auch gesundheitlich schlecht, sie sind finanziell und emotional belastet und leiden zusätzlich unter Kontaktarmut." Eine kürzlich veröffentliche Statistik des Bundesamtes zeigt, dass sich Einkommensschwache eindeutig schlechter fühlen. Armut wird noch immer als Schande empfunden (wir berichteten darüber).

Allerdings hat sich diese Sichtweise in letzter Zeit etwas verändert. Jedermann weiss heute, dass man seinen Job kurzfristig verlieren kann. Um so wichtiger sind Beziehungen. Doch diese sind oft nicht mehr gleich tragfähig. Bald jede zweite Ehe in der Schweiz wird geschieden. Wenn Partnerschaften auseinanderbrechen, bei Trennung und Scheidung führt das in der Regel zu grossen finanziellen Belastungen und Schwierigkeiten. Die Folgen sind vielfältig. Schulden häufen sich und führen zu Zahlungsschwierigkeiten. Der Weg zur Schuldfreiheit sei ein Weg jahrelanger Verzichtsleistungen.

Die Hälfte der Weltbevölkerung ist arm

Wenn man die Armut weltweit anschaut, dann wird unsere „Armut“ wieder etwas relativiert. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO leben derzeit 1,2 Milliarden Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Zum Teil müssen sie mit 1 Dollar pro Tag auskommen. Davon leiden etwa 828 Millionen Menschen an Hunger oder Unterernährung.

"Armut werde meist als Einkommensarmut gemessen und stelle häufig ein "Demarkationslinie" innerhalb der Gesellschaft dar.", schreibt Dr. Kopsidis vom Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa., "Den von Armut Betroffenen seien die Entwicklungschancen innerhalb der Gesellschaft oft verbaut." In Mittel- und Osteuropa lebt inzwischen ein Drittel der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Die Lohnentwicklung hielt oft mit derjenigen der Preise nicht Schritt. Besonders betroffen sind Personen, die auf staatliche Zahlungen angewiesen sind, wie Rentner, Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, kinderreiche Familien, Kranke und Behinderte, sowie die Bevölkerung im ländlichen Raum. Durch die Schwächung der ländlichen Infrastruktur wird der Migrationsdruck gross. Gebiete entvölkern, die Jungen ziehen in die Städte und die verbleibende Bevölkerung überaltert.

Zur Bekämpfung der ländlichen Armut wären, laut Dr. Kopsidis, zusätzliche Investitionen von Nöten, sowie eine weitreichende Privatisierung und Reorganisation der Wirtschaftsbereiche hin zu einer marktwirtschaftlich orientierten Ordnung. Die Politik müsse sich der Herausforderung stellen und entsprechende Strategien entwickeln. Die Weltbank propagiert den Ausbau von Grundschulen und Gesundheitsdiensten in den ärmsten Ländern der Welt, sowie den Aufbau von sozialen Sicherheitsnetzen, und betont, dass bei ihr die Armutsbekämpfung auch im neuen Jahrtausend im Mittelpunkt stehen wird.

Hilfsangebote in der Schweiz

Die Ansätze sind vielfältig ebenso die Hilfsangebote. Caritas zum Beispiel hat in der Schweiz zurzeit rund 20 Hilfsprojekte laufen. Diese umfassen finanzielle Hilfe für Notleidende, Arbeitseinsätze für Arbeitslose, Beschäftigungsstätten, Betreuungsangebote für Alleinerziehende, einen Schuldberatungsdienst, Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden, Lebensmittelläden für Minderbemittelte und verschiedene Obdachlosenhilfsprojekte.

Die Winterhilfe bietet Armutbetroffenen in der Schweiz Darlehen und Kredite, sowie Schuldsanierungen an. Aber nicht nur materielle Hilfe, sie finanziert auch Aus- oder Weiterbildungen.

Solidarität

Solidarität ist eigentlich ein urchristliches Thema. In den biblischen Urgemeiden wurde diese Art von Hilfe täglich gelebt. Jeder teilte mit dem andern, was er hatte, damit keiner Not leiden musste. Als Schwache und Benachteiligte galten dazumal wie heute die Alten, Witwen, Kinder und Fremdlinge. Unzählige Stellen in der Bibel geben Anleitung und thematisieren den Schutz der Schwachen. Zwei Beispiele: "Ihr sollt Witwen und Waisen nicht bedrücken...“ (5. Moses 27,19) Verteidigt die Armen und die Waisenkinder, sorgt für das Recht der Wehrlosen und Unterdrückten. (Psalm 82,3).

Anmerkung
Nicht nur zu biblischen Zeiten war Solidarität und der Schutz der Schwachen ein Thema. Es betrifft noch heute die ganze Menschheit. Wo Not ist, soll geholfen werden. Gerade die Kirchen und ihre Mitglieder sind zum Dienst am Nächsten aufgerufen. Ausserdem: wer weiss schon, ob er in seinem Leben nicht auch einmal Hilfe braucht.

Quelle: Livenet, Kipa

Datum: 15.11.2002

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