Holger Reichert

Jeder Umbruch birgt Chancen

Glaube und Wirtschaft haben viel miteinander zu tun. Das sagt Holger Reichert (45), Diplom-Theologe und Unternehmensentwickler. Seit 17 Jahren berät und begleitet er Führungskräfte in verschiedenen Branchen. Sein Schwerpunkt: Unternehmen in Zeiten des Umbruchs.
Ohne eine Beziehung zu Jesus könnte ich weder mein privates noch mein berufliches Leben bewältigen: Holger Reichert.
Durch die Nachfolge müssen aber oft ganz wesentliche Veränderungen in die Wege geleitet werden.

Zu Reicherts Kunden zählen Unternehmen wie die Siemens AG oder OBI. Auf dem Kongress christlicher Führungskräfte im Februar 2009 hält er ein Seminar zum Thema: „Generationswechsel im Unternehmen“. Livenet.ch hat sich mit ihm über seine Arbeit und seinen Glauben unterhalten.

Livenet.ch: Sie sind Unternehmensentwickler, was genau ist das?
Holger Reichert: Ich sehe mich neben der Beratung und Konzeptentwicklung mehr als Sparringspartner der Unternehmer. Ich gehe ihnen dabei an die Hand, ihre Unternehmen neu auszurichten und unterstütze sie weiterhin darin, Veränderungen konsequent vorzunehmen und neue Ideen mit ihrer Mitarbeiterschaft auch umzusetzen.

Sie helfen unter anderem „wettbewerbsfähig“ zu bleiben. Was ist da der Trick?
Leider gibt es da keinen Trick! Ich helfe aber herauszufinden, wo die eigenen Stärken liegen und worauf sich ein Unternehmen konzentrieren sollte. Oft hilft es einem Unternehmer, mit einer unabhängigen Person über diese Dinge zu sprechen. In einem solchen Gespräch werden oft andere, neue Gedanken ausgetauscht und aus einem ganz anderen Blickwinkel beleuchtet, was zu neuen Strategien führen kann.

Sie beraten auch angehende Unternehmer. Auf was sollte man achten, wenn man ein Unternehmen gründet?
Grundlegend muss man für so eine Aufgabe geeignet sein. Dann muss man ein Mensch sein, der risiko- und investitionsbereit ist. Man braucht auch mehr als eine begeisternde Idee: Man muss erkennen können, ob es auch einen Markt dafür gibt. Zum Beispiel gibt es heute breite öffentliche Diskussionen zum Umweltschutz und zur Erderwärmung. Schon vor 15 Jahren gab es wirtschaftlich interessante Projekte dazu, aber niemand hat sich in dem Masse dafür interessiert wie im Augenblick. Der Markt war noch nicht reif. Natürlich kann man nie zu hundert Prozent sagen, was dran ist und was nicht, aber man kann ein Gespür dafür entwickeln.

Eigentlich sind Sie Theologe. Warum haben Sie sich entschieden, in die Wirtschaft zu gehen?
Ich war als Theologe im Bereich „Gemeindegründung“ tätig. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem erkennbar wurde, dass ich in die Beratung wechseln möchte, weil da meine Hauptstärken liegen.

Stehen Glaube und Wirtschaft nicht im Gegensatz zueinander?
Nein, auf gar keine Weise, Glaube und Wirtschaft haben sehr viel miteinander zu tun. Die Schnittmenge von beiden ist sehr gross, Werte und Ethik sind in der Wirtschaft immer mehr gefragt. Wenn eine Branche, nach Aussagen von Kennern, zu 70 bis 80 Prozent korrupt ist, sind genau dort Menschen gefragt, die ein anderes Interesse haben, als sich persönlich zu bereichern.

Aber hat man als ehrlicher Mensch überhaupt eine Chance in einer korrupten Wirtschaft?
Man hat! In den USA ist ein „Moralkodex“ beispielsweise schon wesentlich verbreiteter als bei uns. Auch die Handelsbeziehungen zu China haben diese Frage wieder stark aufgeworfen. Aber letztlich lösen negative Trends immer auch wieder einen Gegentrend aus. Das Interesse an ehrlichen und zuverlässigen Partnern in verschiedenen Wirtschaftszweigen wächst.

Warum ist Ihnen der Glaube so wichtig?
Für mich spielt der Glaube eine zentrale Rolle. Ob privat – ich habe eine Familie mit drei Kindern – oder beruflich. Ohne eine Beziehung zu Jesus könnte ich das nicht so bewältigen. Dafür sind die Belastungen zu gross. Der Glaube ist für mich ein ganz tragendes Lebenselement. Ich finde darin Halt, Perspektive und vor allem Vergebung. Sie ist für mich im zwischenmenschlichen Bereich unverzichtbar, aber auch elementar für Geschäftsbeziehungen.

Wie sind Sie zum Glauben gekommen?
Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, aber meinen eigenen, persönlichen Glauben habe ich durch eine Lebenskrise gefunden. Erst dadurch bin ich zu dem durchgedrungen, was ich heute einen „lebendigen Glauben“ nenne.

Ihr Thema auf dem Kongress ist „Generationswechsel im Unternehmen“. Was treten da für Schwierigkeiten auf?
Viele Unternehmer schieben die Entscheidungen zur Nachfolgeregelung zu lange vor sich her. Zum einem gibt man ein Stück Lebensaufgabe ab und muss plötzlich neue Perspektiven für sich selbst suchen. Zum anderen bestehen oft Bedenken wirtschaftlicher Art. Man möchte das Geschäft weiter führen, hat es aber nach der Übergabe nicht mehr selbst in der Hand. Es ist schwer, Dinge loszulassen, für die man jahrzehntelang gekämpft hat. Leider haben Unternehmer in diesem Bereich wenig Unterstützung. Es gibt sehr gute Fachberater wie Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Anwälte, aber im langen Prozess von der Vorbereitung zur Umsetzung stehen Unternehmer oft so gut wie allein da. Das muss nicht sein.

Wo liegen die Chancen?
Es geht einerseits darum, das zu bewahren was innerhalb einer oder mehr Generationen aufgebaut wurde. Andererseits können und müssen durch die Nachfolge aber oft ganz wesentliche Veränderungen in die Wege geleitet werden, damit ein Unternehmen zukunftsfähig bleibt. Jeder Umbruch birgt an dieser Stelle Chancen. Die Junioren sind oft bereit, Neues zu wagen.

Was raten Sie der älteren Generation?
Man sollte früh genug anfangen, den Wechsel vorzubereiten, die Planung einer Nachfolgeregelung braucht ungefähr zehn Jahre. Man sollte sich begleiten lassen, und ganz wichtig: Für sich selbst neue Perspektiven für die Zukunft entwickeln.

Und der Jüngeren?
Mit viel Respekt gegenüber der Lebensleistung der anderen Generation die Projekte übernehmen, die Erfahrungen nutzen und nicht denken, man wüsste alles besser.

Datum: 08.02.2013
Autor: Miriam Hinrichs
Quelle: Livenet.ch

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