USA: Fromme haben und sparen weniger

Lisa A. Keister
Leben nach Gottes Geboten: Vorgarten im US-Bundesstaat Georgia.
Manche städtische Gemeinden haben zahlreiche gutsituierte Mitglieder; auf dem Land überwiegen Familien mit tiefen Einkommen.

Konservative Protestanten in den USA sind ärmer. Was führt dazu, dass ihre Vermögen kaum 40 Prozent des nationalen Durchschnitts erreichen? Die Soziologin Lisa A. Keister hat die Faktoren untersucht. Neben Kinderreichtum und Vorbehalten gegenüber College-Ausbildungen spielt der bibelorientierte Glaube eine entscheidende Rolle.

Die Conservative Protestants (Baptisten, Pfingstler, Nazarener, kurz: CPs) machen ein Viertel der US-Bevölkerung aus und sind deshalb nicht nur im Visier der Parteistrategen, sondern auch der Soziologen. Für Lisa A. Keister von der Duke University heben sich die CP vor allem dadurch ab, dass sie dem Wortlaut der Bibel entsprechend Gott als den wahren Eigentümer ihres Geldes ansehen. Die monatliche Abgabe des Zehnten ist weit verbreitet, nach der Weisung im Buch der Sprüche (3,9): „Ehre den Herrn mit deinem Gut und mit den Erstlingen deines ganzen Ertrags…“

In der Bibel handeln gegen 2‘000 Verse von Geld, Sparen und Vermögensverwaltung. Das Neue Testament weist von Jesus mehr Worte übers Geld als über den Glauben auf. Einer der – für Menschen aller Zeiten – einschneidendsten Sätze findet sich im Brief des Paulus an Timotheus (6,10): „Die Wurzel aller Übel ist die Liebe zum Geld.“ So verwundert es nicht, dass CPs eher davor zurückscheuen, grosse Vermögen anzuhäufen.

Besser als Shopping

Die CPs machen nicht jedes Spiel der konsumgeilen US-Gesellschaft mit, weil sie sich laut Keister als Treuhänder der von Gott anvertrautern Finanzen sehen. im Viele fragten Gott im Gebet, wie er die Mittel eingesetzt haben will, und das bedeute, „dass es nicht auf ihren Sparkonten bleibt.“ Zudem geben manche Christinnen und Christen gutbezahlte Arbeitsstellen auf, um vollzeitlich das Evangelium zu verbreiten oder Armen in Übersee zu dienen. Anne Thompson (43), die sich dazu entschloss, verdiente vorher über 100‘000 Dollar. Sie gab Plänen für eine Frühpensionierung und ein luxuriöses Haus den Abschied, um eine andere Dimension zu erfahren: „Worte können das Leben kaum beschreiben, das du empfängst anstelle von dem, was du hergibst.“

Kinder: Reichtum und Belastung

Die Werte, die in der Familie gelebt und vermittelt werden, prägen die Einstellung zum Vermögen. Die Duke University, an der Lisa A. Keister Soziologie lehrt, liegt im Bible-Belt-State North Carolina. Sie hat die Resultate ihrer Studie im American Journal of Sociology veröffentlicht. Wie hierzulande, wo Freikirchler fast 50 Prozent mehr Kinder haben als Landeskirchler, sind auch bei den konservativen Protestanten in den USA die Familien grösser. Die Paare heiraten früher, Mütter widmen sich ihren Kindern im Durchschnitt intensiver und länger. Viele schulen sie zu Hause (home schooling).

Neben ethischen Gründen (Abneigung gegen Freizügigkeit auf dem Campus) führen finanzielle Limiten dazu, dass weniger CPs aufs College gehen. Von Eltern stammend, die wenig sparten, haben dann auch die Sprösslinge weniger Chancen auf gutbezahlte Jobs. Nach Keisters Studie wirkt sich der bibelorientierte Glaube bei schwarzen CP noch deutlicher aus als bei Weissen. Entgegen dem Muster haben die Mormonen, die auch für kinderreiche Familien bekannt sind, grosse Vermögen. Keister plädiert dafür, die Zusammenhänge zwischen religiösen Einstellungen und Sparverhalten eingehender zu untersuchen.

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Homepage von Lisa A. Keister

Datum: 14.04.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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