"Bescheidenheit ist eine Zier…"

"…doch weiter bringt mich heut die Gier": Nach dem tiefen Fall der Finanztitel an den Weltbörsen drängt sich der Reim auf.
Wallstreet New York
„Hochpeinlich“: Ulrich Grete zum UBS-Debakel.
Immobilienzirkus in den USA
Viele Hypotheken hätten bei nüchterner Einschätzung nicht gewährt werden dürfen.

Angesichts der Milliardenabschreiber, welche Banken mit einst glänzendem Ruf bekanntgeben müssen, bringt der Finanzfachmann Ulrich Grete wieder die Bescheidenheit ins Spiel. Der ehemalige Präsident des AHV-Ausgleichsfonds meint im Tages-Anzeiger: "Spätestens jetzt sollte man sich bewusst werden, wie viel Risiken man eingehen kann, um Profite zu erwirtschaften. Man sollte sich fragen, ob man noch bescheiden genug ist."

Das gelte für Banken wie für private Anleger, hält Grete fest. Mit UBS und Co. geht er angesichts der "Spekulationsexzesse" hart ins Gericht: "Eine Bank, die nicht mehr selber die Kreditwürdigkeit prüft, kann abdanken." Aus Schweizer Sicht sei es "hochpeinlich", dass eine Grossbank mit dem Renommée der UBS "in eine derartige Krise marschiert ist".

Gierig und Blauäugig

Der Immobilienzirkus in den USA könnte die weltgrösste Volkswirtschaft nun in eine Rezession stürzen. Dass Präsident Bush auf seiner Nahostreise die Saudi-Araber wie ein Bittsteller ersuchte, den Ölpreis zu senken, tut den Amerikanern weh. Wenn der Irakkrieg Hunderte von Milliarden verschlingt - die Immobilienkrise schwächt die USA vielleicht noch mehr. Europäische und asiatische Konzerne, nicht zuletzt Chinesen, reissen sich US-Firmen zu Discountpreisen unter die Nägel.

Zu lange hat sich Bush die Hände gerieben angesichts der boomenden Wirtschaft - wo doch unzählige Hypotheken bei nüchterner Einschätzung nicht hätten gewährt werden dürfen. Die Machenschaften der Finanzinstitute, die diese Hypotheken in Wertpapiere umwandelten und Geld damit verdienten - wer wollte sie untersuchen oder gar an den Pranger stellen, wo doch für fast alle Geld zu verdienen war? Die gierige Lust am Spekulieren erfasste immer weitere Teile der US-Bevölkerung, und die im Land engagierten Auslandbanken suchten ihrerseits abzusahnen, mit hohem Risiko. (Das Finanzinstitut Goldman Sachs beweist, dass man kühlen Kopf bewahren und die Risiken begrenzen konnte.)

UBS: Nun reden Fremde mit

Nun ist die Blase geplatzt. Die Börsen taumeln. Der Absturz wird uns allen noch weh tun. Die Pensionskassen können die Gelder nicht verzinsen, wie sie sollten. Grossanleger werden sich nach Alternativen zu einer Grossbank umsehen, die so blauäugig ihr Kapital verspielt. Die Seriosität, das eigentliche Kapital, mit dem Schweizer Banker arbeiten, hat wüste Kratzer abbekommen. Der Schaden ist beträchtlich. Und - last but not least - fortan bestimmen Araber und Ostasiaten den Kurs der UBS mit. Am Flaggschiff der Schweizer Banken flattern fremde Fahnen. Das hatten die Bankgesellen und ihre Basler Konkurrenten nicht im Sinn, als sie sich vor genau zehn Jahren zusammentaten…

Weisheit fürs 21. Jahrhundert

Bescheidenheit ist eine Zier*: Es steht zu befürchten, dass angesichts der Gier nach dem schnellen, grösseren Profit, welche die Finanzmärkte global antreibt, die weisen Mahnungen der Bibel auch künftig in den Wind geschlagen werden. Sie sind 3000 Jahre alt - und nicht veraltet. Sätze aus Spruchsammlungen Salomos:

Ein zuverlässiger Mann wird oft gesegnet,
wer aber schnell reich werden will, bleibt nicht ungestraft.
Besser ein Armer, der schuldlos seinen Weg geht,
als ein Reicher, der auf krummen Wegen geht.
Ein missgünstiger Mann will schnell zu Vermögen gelangen
Und weiss nicht, dass Mangel über ihn kommen wird.
Unrecht erworbene Schätze nützen nichts,
Gerechtigkeit aber rettet vor dem Tod.
(Sprüche 28,20.6.22; 10,2)

* Die Redensart geht vielleicht zurück auf die Verse von Franz Grillparzer (1791-1872): "Ziert Bescheidenheit den Jüngling, nicht verkenn er seinen Wert" - ein Satz, der aufstrebenden Fondsmanagern ins Stammbuch geschrieben werden sollte.

Datum: 23.01.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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