Der Bonus der Offenheit

Nordamerikanischer Hauptsitz der UBS.

Was früher die Aktie hätte ins Bodenlose stürzen lassen, verhalf gestern dem Papier der UBS zu einem Kursanstieg. Auch dies gibt zu denken.

Man hat sich daran gewöhnt, dass es bei Grossbanken nicht mehr um (Hunderte von) Millionen, sondern um Milliarden geht. Letzthin Profite - nun Verluste. Der abrupte Abgang des UBS-Chefs Peter Wuffli im Juli ist seit gestern plausibler: Das führende Schweizer Geldinstitut hat schwere Fehler in den USA zugeben müssen. Wegen Bewertungsverlusten im Geschäft mit Hypotheken-Papieren und weiteren Finanzinstrumenten schreibt die UBS im dritten Quartal 4'000'000'000 Franken ab. Einige Topleute müssen ihren Sessel räumen, 1500 Angestellte, fast alle in den USA, verlieren ihren Job.
Nun ist die UBS (You & Us) mit ihrem Absturz in respektabler Gesellschaft. Die grösste US-Bank Citigroup schreibt im dritten Quartal gar 5,9 Milliarden Dollar ab. Merrill Lynch und die Bank of America dürften gemäss der New York Times folgen. Die Märkte reagierten - positiv. Der Kurs der UBS-Aktie, am Montagmorgen erst um 4 Prozent eingebrochen, beendete den Tag mit einem Plus von 3 Prozent. Auch die Citigroup-Aktie schloss deutlich fester und trug zum Rekordstand des Dow Jones-Aktienindexes bei.

Ausgestanden?

Die Psychologie der Börsen liess die Anleger erleichtert reagieren - als müsste das Schlimmste nun vorbei sein. Die Mitteilungen der führenden US-Institute (nicht aber der UBS) waren erwartet worden; nun hofft man, dass weitere böse Überraschungen ausbleiben. Immerhin ist die UBS durch ihre US-Investment-Tochter im Geschäft mit verbrieften Hypotheken immer noch mit Nettopositionen von 19 Milliarden Dollar engagiert, wie die NZZ schreibt. Ihr Kommentator hält fest, dass im Bestreben, zu den führenden US-Banken aufzuschliessen, die falschen Leute zuviel Spielraum erhielten und "eindeutig das Mass für das Risiko verloren ging. Genau das hätte man von der UBS zuletzt erwartet."

Nach der Täuschung…

Der erste Quartalsverlust seit neun Jahren war nicht angekündigt worden, was in der Zeitung die Frage provoziert, ob die Richtlinien der Schweizer Börse verletzt wurden. Sie verpflichten die Unternehmen, alle potenziell kursrelevanten Daten der Öffentlichkeit gleich mitzuteilen. Dies sei in diesem Fall "nur schwierig vorstellbar". Die UBS hatte nicht darüber informiert, wie tief sie mit ihren Engagements im Sumpf der Hypothekenkrise steckte, sondern im August noch versichert, von den verschlechterten Marktbedingungen sei vermutlich bloss das Handelsgeschäft betroffen. "Bei den Anlegern hinterlässt die Kommunikationsart der Grossbank in jedem Fall keinen guten Eindruck."

…Vertrauen?

Doch die Anleger belohnten all dies mit Zukäufen - am Dienstag war die UBS-Aktie erneut gefragt. An diesem Verhalten lässt sich eine Mentalität ablesen, die auf andere Ebenen übertragen werden kann - und auch da zu denken gibt. Zwei Punkte:
Zum einen: Transparenz wird belohnt. Offenheit macht sich gut. Nichts ist so unangenehm wie anhaltende Unsicherheit und unwägbare Risiken. Zum anderen: Fehler sind erlaubt, aber gefordert wird ein Blick nach vorn. In der Hoffnung, am nächsten Tag wieder zu den Gewinnern zu gehören, möchte man Versagen rasch vergessen. Und glauben, dass das Problem ausgestanden ist.

Ein Neues wagen

Diese Mentalität mag an den Finanzmärkten Erfolg versprechen (auch wenn das globale Prestige der UBS als solider Schweizer Vermögensverwalterin gelitten hat). Jedenfalls bis zur nächsten Weiterung der Hypothekenkrise in den USA, welche die Weltwirtschaft härter trifft als Einbrüche anderswo. Dass die US-Amerikaner so lange unbekümmert auf Pump leben und mit Häusern spekulieren konnten, kommt nun nicht nur sie teuer zu stehen.
Im öffentlichen Leben und in privaten Beziehungen verträgt sich das schnelle Vergessen-Wollen nicht mit der Erwartung der Verlässlichkeit. Wer so enttäuscht - kann man ihm noch Vertrauen schenken? Andererseits: Sind wir bereit, mit jemand, der versagt hat und (spät) dazu steht, ein Neues zu wagen?

Datum: 03.10.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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