«Werte können durchaus lustvoll sein»

Im Interview mit Ursula Costa berichtet Rolf Hiltl, Restaurantbesitzer aus Zürich, welche Werte ihm Halt im Leben geben.
Rolf Hiltl
Das Hiltl Restaurant in Zürich.

Herr Hiltl, wie definieren Sie das Wort «Werte»?
Man spricht vom Werte-Fundament. Werte sind für mich unumstösslich, unanpassbar und unveränderlich. Auf das Wertesystem baut sich auch die Ethik des Menschen auf. Werte sind etwas Grundsätzliches.

Die Schweizer Boulevardzeitung «Blick» titelte im September 2006: «Fertig lustig mit der Spassgesellschaft». Im Artikel war zu lesen: «Immer mehr Menschen sehnen sich nach festen Werten und drehen der Spassgesellschaft den Rücken zu.» Sehen Sie auch eine solche Tendenz?
Die Frage ist, was man unter Spassgesellschaft versteht. Werte sind nicht das Gegenteil von Spass. Sie können durchaus lustvoll sein. Entscheidend ist, wie kurzfristig jemand leben und sich amüsieren will. Mir scheint, dass der Zyklus des schnellen Geniessens überschritten ist; von einer Kehrtwende würde ich allerdings nicht sprechen. Das reine Konsumieren und unüberlegtes in den Tag hinein leben scheinen zunehmend weniger populär. Gleichzeitig gewinnt die Besinnung auf Werte wieder an Gewicht.

«Ende der Spassgesellschaft» klingt, als würde ein Leben mit Werten keinen Spass machen.
Ich bin jetzt 41 und hatte etwas Zeit zum Nachdenken. Mir ist klar geworden, dass Spass nicht nur für den Moment zählen kann, sondern mit der Überlegung zusammenhängt, welcher Spass welche Konsequenzen nach sich zieht. Natürlich ist es so, dass man sich mit zunehmendem Alter mehr Gedanken darüber macht.

Ein Trugschluss wäre die Meinung, dass Menschen, die sich auf Werte abstützen, weil sie von deren Wahrheit überzeugt sind, keinen Spass mehr haben. Leider wird dies teilweise – auch in christlichen Kreisen – so vorgelebt.

Ihr Familienbetrieb existiert in vierter Generation seit über 100 Jahren. Welche Werte sind für das Fortbestehen eines Unternehmens wichtig?
Wichtig ist, den Menschen in den Vordergrund zu stellen. Jedes Unternehmen, und sei es noch so technisch, beschäftigt Menschen oder hat mit Menschen zu tun. Unternehmen sollten zudem nicht auf maximale Rendite getrimmt werden. Natürlich ist der Zweck eines Geschäftes, Geld zu verdienen, aber die Ausgewogenheit darf nicht verloren gehen. Alle Beteiligten müssen einen Gewinn daraus ziehen. Diese Balance zu finden ist eine wichtige unternehmerische Aufgabe.

Bei Familienbetrieben ist wichtig, dass der Übergang zwischen den Generationen klappt. Die abgebende Generation muss dies gerne tun und der nachfolgenden Freiraum geben, sie auch Fehler machen lassen.

Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie nicht Vorgesetzter sein wollen, sondern Vorbild. Sie wollen mit dienender Führung vorangehen. Eine Herausforderung?
Es ist sicher eine Herausforderung, Vorbild zu sein, weil man gezwungen ist, bei sich selbst zu beginnen. Ich muss mich fragen: Wie wirke ich? Wie sitze ich am Bürotisch? Wie bin ich gekleidet? Bin ich heute rasiert oder nicht? Es ist anstrengender, sich selbst im Spiegel zu betrachten und etwas zu ändern, als zuerst die Mitarbeitenden zu kritisieren. Indem ich dem Mitarbeiter sage: «Tu, was ich mache, und nicht, was ich sage», spiele ich mir den Ball selbst zu. Das ist herausfordernd. Nicht weil ich seine Arbeit erledigen muss, sondern weil ich von der Haltung her Vorbild sein will. Meine Mitarbeitenden nehmen dies ernst und schauen genau hin. Natürlich ist auch die Haltung möglich, als Vorgesetzter zu fordern: «Tu, was ich sage.» Ich bin jedoch überzeugt, dass unser Weg der dienenden Führung der bessere ist, weil Vertrauen entsteht.

Gibt es ein konkretes Beispiel?
Ein ganz einfaches Beispiel ist dasjenige mit Papierchen und Unrat auf dem Fussboden. Meine Mitarbeitenden achten sehr wohl darauf, ob ich mich als Chef auch nach einem Stückchen Papier bücke und es in den Kehricht werfe oder nicht.

In Ihrem neun Schritte umfassenden Leitbild steht als letzter Punkt unter Verantwortung: «Verantwortung gegenüber Gott. Durch den Geist von Jesus Christus geleitet.» Was bedeutet Ihnen der christliche Glaube?
Orientierung in einer orientierungslosen Welt. Unveränderliche Werte, wie wir sie in der ersten Frage angesprochen haben. Natürlich kann ein Kritiker sagen, dass dies zu einfach sei und etwas für Dumme, die nicht denken können. Ich habe jedoch in meinem Leben viel nachgedacht und ausprobiert und bin zum Schluss gekommen, dass es besser ist, im Glauben etwas anzunehmen. Ich akzeptiere deshalb die Bibel als Wort Gottes. Gott hat sie für uns schreiben lassen.

Er hat uns geschaffen und gibt uns mit der Bibel Richtlinien zum Leben. Dazu ein einfaches Beispiel aus unserem Berufsalltag: Ein Koch kreiert ein neues Gericht. Damit es perfekt schmeckt, fügt er 50 Gramm Zucker bei. Er schreibt sein Rezept genau auf. Wenn jemand das Rezept nachkocht, dann muss es genau so zubereitet werden, sonst gelingt es nicht. So sehe ich das mit der Schöpfung. Gott gibt uns in der Bibel seine «Rezepte». Wir Menschen haben die Wahl, ob wir sie annehmen wollen oder nicht. Ich habe diese Wahl getroffen und versuche, danach zu leben.

Ist denn die Bibel wirklich eine Hilfe im Alltag? Viele sehen sie vorwiegend als veraltetes Regelwerk mit vielen Einschränkungen.
Sie ist eine extrem grosse Hilfe! Ich bin oft zu Managementseminaren eingeladen und besuche ein bis zwei solche Anlässe pro Jahr. Dabei lerne ich Interessantes. Schliesslich lerne ich jedoch mehr, wenn ich am Sonntag den Gottesdienst besuche und genau hinhöre. Da werden wahre, anwendbare Werte vermittelt. Die dienende Führung ist beispielsweise etwas, was Jesus uns vorgelebt hat. Menschen schätzen eine solche Führung. Sie schätzen es, wenn der Chef vor ihnen in die Knie geht, um das Stück Papier vom Boden aufzuheben, mit der Aufforderung, es beim nächsten Mal auch zu tun. Dienende Führung funktioniert!

Ihre Werte stützen sich auf das christliche Fundament. Können Werte, die nicht irgendwo fest abgestützt sind, überhaupt tragen?
Die Frage ist, wo ein Wert abgestützt ist. Wir wissen heute, dass die Erde rund ist, weil wir sie vom Satelliten aus ansehen können. Vor nicht allzu langer Zeit wusste man dies noch nicht. Abgestützt sein ist deshalb immer relativ. Die Meinungen und die Wissenschaft verändern sich. Bis vor kurzem wurden alle Thesen der Evolutionstheorie als «wissenschaftlich» und damit unanfechtbar gehandelt. Heute weiss man, dass viele ursprüngliche Annahmen keinen Bestand hatten und durch andere ersetzt wurden. Die Frage bleibt: Worauf sind diese Annahmen abgestützt? Ich stütze mich deshalb auf die bleibenden Werte der Bibel ab.

Rolf Hiltl ist Inhaber der Hiltl AG (vegetarisches Restaurant Hiltl in Zürich), Mitinhaber der tibits AG, verheiratet mit Marielle Hiltl-Mâitre und hat drei Kinder im Alter von 3 bis 9 Jahren.

Autorin: Ursula Costa
Quelle: IVCG, Reflexionen

Datum: 09.07.2007

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