10+1 Werte für die Wirtschaft

Werte müssen dem Leben dienen

Christliche Werte gründen auf den Gewissheiten des Glaubens. Erst vom christlichen Sinnhorizont her entfalten sie ihre Bedeutung, Gültigkeit und Leuchtkraft. Im Folgenden werden einige Werte für die Wirtschaft beschrieben.
Globale Wirtschaft kann sich nur als Dienst am Menschen legitimieren.
Ziel der Wirtschaft muss sein, nicht immer mehr für immer weniger, sondern genug für alle zu produzieren.
Gerechtigkeit als Ausdruck der Gleichheit aller Menschen ist Hoffnung der Benachteiligten und Verpflichtung der Privilegierten.
Solidarität ist Ausdruck von Gemeinschaft, die in einem Gefühl der Zusammengehörigkeit wurzelt.
Solidarität dient der Stärkung der Machtlosen und Ohnmächtigen.

In der Diskussion über die Chancen und Gefahren der wirtschaftlichen Globalisierung ertönt immer wieder der Ruf nach neuen Werten für eine globale Welt. Doch so einfach steht es nicht um diese Werte – auch nicht aus christlicher Sicht. Zum einen sind die neuen Werte weitgehend die alten Werte in neuem Kleid. Zum anderen sind Werte abstrakte Grössen, die mit Leben zu füllen sind.

Werte1 erhalten ihre Bedeutung erst durch etwas Grösseres. Das sittlich Entscheidende liegt daher nicht in den Werten selber, sondern in deren Ordnen und Wollen auf ein grösstes Gut hin. Darum sind Werte alleine nicht geeignet, ethische Probleme zu lösen. Gleichwohl bieten sie Orientierung für ein verantwortliches Handeln in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.

Menschenwürde

Der Mensch ist ein Geschöpf, das sich anderem Leben verdankt. Darum anerkennen sich Menschen gegenseitig als Wesen gleicher Würde. Sie bleiben zeitlebens aufeinander angewiesen und voneinander abhängig. Als Träger von Humanität und Würde ist kein Mensch bloss Mittel zum Zweck, sondern jeder stellt einen unverfügbaren Wert und Selbstzweck in sich selbst dar.

Globale Wirtschaft kann sich nur als Dienst am Menschen legitimieren. Sie ist Ökonomie für den Menschen. Oberstes Leitprinzip sind Menschen mit ihren Bedürfnissen. Der Wert jeder Wirtschaft bemisst sich daran, ob sie dem Leben dient.

Entwicklung

Ohne Entwicklung kann sich Leben nicht entfalten. Der Grundwert der Entwicklung fordert uns auf, jene materiellen und immateriellen Grundlagen langfristig zu schaffen und zu schützen, die für die soziale, politische, kulturelle und religiöse Entfaltung des Menschen unerlässlich sind.

Entwicklung in Form der Armutsbekämpfung und Behebung gesellschaftlichen Mangels an Nahrung, Kleidung und Wohnung, aber auch an Bildung, Gesundheit, Freizeit und Kommunikation gehören zu den dringendsten Aufgaben. Ziel der Wirtschaft muss sein, nicht immer mehr für immer weniger, sondern genug für alle zu produzieren.

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit zielt auf die Möglichkeit, die Bedürfnisse aller Generationen umfassend zu befriedigen. Sie zielt darauf, die Bedürfnisse der Gegenwart zu stillen, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. Wer sich nachhaltig orientiert, bevorzugt die langfristigen Lebensinteressen aller gegenüber einem kurzfristigen Eigennutzen.

Globales Wirtschaften muss ressourcenschonend geschehen. Externe Kosten sind konsequent zu internalisieren und kurzfristiges Denken darf langfristig nicht irreversible Schäden an Mensch und Umwelt verursachen.

Gerechtigkeit

Gerechtigkeit als Ausdruck der Gleichheit aller Menschen ist Hoffnung der Benachteiligten und Verpflichtung der Privilegierten. Sie zielt nicht auf gleichmacherische Nivellierung, sondern auf Besserstellung der Benachteiligten. Gerechtigkeit ist Fairness und dient dem Gemeinwohl. Sie berücksichtigt gleichermassen die Interessen aller von einer Entscheidung Betroffenen.

Die Verteilungsgerechtigkeit sorgt für eine faire Zuordnung von Arbeit, Löhnen, Gütern, Sozialleistungen, Verantwortlichkeiten oder Macht. Sie hält die Waage zwischen Leistung und Bedürftigkeit: Als Leistungsgerechtigkeit würdigt sie die erbrachte Tätigkeit. Als Bedürfnisgerechtigkeit garantiert sie jedem Menschen ein würdiges Leben in sozialer Sicherheit.

Freiheit

Entscheidungsfreiheit bedeutet, dass wir zwischen Alternativen wählen können. Wer die Augen offen hält, findet immer wirtschaftlichen Handlungsspielraum und macht sich frei von vermeintlichen Sachzwängen. Es ist eine Frage des Willens, sich dem Wachstumszwang, dem Konkurrenzdruck, dem Standortwettbewerb, dem Druck zu Personalabbau oder dem Zwang zu immer höheren Renditen nicht unkritisch zu beugen.

Entscheidungen binden nicht nur, sondern eröffnen auch neue Freiheiten. Eine Freiheit in Entschiedenheit macht frei für ungeahnte Möglichkeiten. Wer sie ergreift, lässt sich nicht von der globalen Wirtschaft treiben, sondern übernimmt Verantwortung.

Kooperation

Wettbewerb gründet auf Kooperation. Konkurrenz alleine ist nämlich nicht im Stande, den Wettbewerb effizient seinem Ziel der vielfältigen, bedarfsgerechten und kostengünstigen Versorgung der Gesellschaft mit Gütern zuzuführen. Der Selektionsmechanismus des Wettbewerbs ist auf eine Vielfalt der Marktteilnehmer angewiesen.
Oder gegen wen soll ein Teilnehmer noch wetteifern, wenn keine Konkurrenz mehr existiert? Oberstes Ziel kooperierender Konkurrenz ist die gegenseitige fruchtbare Stimulierung zu immer besseren Innovationen. Der Wettbewerb, eindimensional als totales Verdrängungssystem angelegt, kollabiert und führt zu seiner Selbstaufhebung.

Partnerschaft

Partnerschaft beruht auf Respekt, Zuverlässigkeit, Konstanz, Transparenz und Wahrhaftigkeit. Partnerschaften gründen auf Symmetrie, auf dem gleichmässigen Geben und Nehmen. Sie setzen Vertrauen in die Partner voraus. Asymmetrische Beziehungen sind dagegen keine Partnerschaften. Sie beruhen auf einem Abhängigkeitsgefälle in Bezug auf die Macht, Entscheidungen zu treffen oder über Mittel zu verfügen.

Es muss zur Selbstverständlichkeit globalwirtschaftlicher Partnerschaften werden, dass das gegenseitige Vertrauen nicht missbraucht und ein aktiver und regelmässiger Beitrag zur Pflege der Beziehung geleistet wird.

Partizipation

Partizipation meint die Möglichkeit, dass alle Menschen an den sie betreffenden Angelegenheiten und Entscheidungen in angemessener Form teilhaben können. Partizipation stärkt Verantwortung und verhindert Marginalisierung und Ausgrenzung in allen sozialen Dimensionen. Wo Menschen informiert sind und an Prozessen und Entscheiden teilhaben, entstehen Berechenbarkeit, Planbarkeit und Sicherheit.

Zu den Stakeholdern globalen Wirtschaftens gehören nicht nur Eigentümer und Kapitalgeber, sondern alle betroffenen Interessensgruppen. Als „Careholder“ von sozialen, ökologischen oder religiösen Anliegen sind Mitarbeitende, Sozialpartner, politische Organisationen, Umweltverbände oder Kirchen in wirtschaftliche Entscheide angemessen einzubeziehen.

Solidarität

Solidarität ist Ausdruck von Gemeinschaft, die in einem Gefühl der Zusammengehörigkeit wurzelt. Sie wird einerseits von der Überzeugung getragen, dass alle Menschen gleich sind, andererseits von der Einsicht, dass Menschen nicht über die gleichen Chancen und Fähigkeiten verfügen. Solidarität dient der Stärkung der Machtlosen und Ohnmächtigen (Empowerment).

Solidarität in einer globalen Welt bedeutet, dass neben dem unternehmerischen Eigeninteresse das Fremdinteresse unterprivilegierter Menschen nicht vergessen geht. Dies kann geschehen, indem die wirtschaftlich Starken gezielt von ihrer Macht abgeben und freiwillig auf Vorrechte verzichten.

Alternativkosten

Das ökonomische Prinzip der Opportunitätskosten lehrt, dass nichts gratis ist. Das Leistungsvermögen der Wirtschaft ist beschränkt, und jeder Einsatz für eine Sache bedeutet einen Verschleiss an Ressourcen, die für andere Ziele nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies gilt selbst für den Bau von Luftschlössern.
Darum sind wirtschaftliche Alternativen immer unter ethischen Erfolgsgesichtspunkten zu prüfen sowie Mittelaufwand, Güte und Realisierbarkeit kritisch gegeneinander abzuwägen.

Vergebung

Der globale Markt kennt kein Pardon. Bereits ein kleiner Managementfehler kann verheerende Folgen haben. Trotzdem ist Versagen menschlich. Weder Appelle noch eine ausgeklügelte Sozialtechnik vermögen menschliche Schwäche gänzlich zu verhindern. Wo Fehler geschehen, braucht es aber Vergebung.

Vergebung ist kein Persilschein zu Sorgfalts- und Gedankenlosigkeit. Es gibt sie nicht ohne die Bereitschaft, Verantwortung im Kleinen wie im Grossen zu übernehmen. Ein Wort der Vergebung inmitten der harten Arbeits- und Wirtschaftswelt kann aber ein Akt der Befreiung sein, der Raum zum Neuaufbruch schafft. Es befreit von der Last zur Unschuld und lässt auf eine gerechtere Welt hoffen.

Datum: 16.02.2013
Autor: Martin Kraut
Quelle: Bausteine/VBG

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