Rückblick 2006

Die Gesichter des Kirchenbunds und das reformierte Profil

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK, dem 25 reformierte Kantonalkirchen und die Methodisten angehören, vertritt die Reformierten der Schweiz nach aussen. Er hat viele Gesichter. – Ein durchaus unvollständiger Rückblick auf 2006.
Markant: Kirchtürme wie der von Uster gehören zur Signatur der Schweizer Landschaft.
Christoph Stückelberger bei der Vorstellung des Glaubenskurses glauben12
Den Protestantismus in die Gesellschaft tragen: Der SEK-Rat bei der Eröffnung der AV im November 2006. Es fehlt Kristin Rossier Buri.
Stimme der Protestanten Europas: Pfr. Thomas Wipf wurde zum Präsidenten der GEKE gewählt.
Sie leiten die beiden Schwergewichte unter den Kirchen des SEK: Samuel Lutz von Bern und Ruedi Reich von Zürich in St. Gallen, Juni 2006.
Vom Bodensee zum Genfersee: In der Abgeordnetenversammlung treffen sich die Delegierten aus allen Landesteilen.
Pfr. Thomas Wipf und Peter Schmid im Gespräch.
Ökumenisch eingebunden: Die SEK-Vertreter Ruedi Heinzer (links) und Thomas Wipf mit den Bischöfen Koch und Grab im Gottesdienst zur Unterzeichnung der Charta Oecumenica 2005.

Eine SEK-Delegation vertrat die Schweizer Reformierten im Februar an der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (OeRK) in Porto Alegre . Unter anderem lag ihr daran, „die Energietechnologien im Hinblick auf Klimaerwärmung und das Ende des Erdöls vom Glauben her zu überprüfen“ (SEK-Bulletin 1/2006).

Auch eine in der Schweiz und Brasilien erarbeitete Erklärung zum Recht auf Wasser wurde aufgenommen: Die Vollversammlung verabschiedete ein Dokument „Wasser – Quelle des Lebens“. Laut Christoph Stückelberger, einem der Väter des Dokuments, ist der OeRK gefordert, künftig „wieder den Fragen der Einheit Priorität“ zu geben. Im Rückblick schreibt SEK-Ratspräsident Pfr. Thomas Wipf, auffallend viele junge Delegierte seien zu Wort gekommen und hätten die Versammlung mit ihrer „Glaubenskraft und ihrem Veränderungswillen“ beeindruckt.

Karussell

Man kann darauf zählen: Jedes Jahr gibt es neue Gesichter in der Geschäftsstelle des Kirchenbundes, und Mitarbeitende gehen nach wenigen Jahren. Im Bulletin 1/2006 wurden gleich vier neue Beauftragte vorgestellt. An die Stelle des Theologen Beat Huwyler, der den SEK verliess, trat Matthias Wüthrich. Im Frühjahr folgte ein fünfter, der Ökumene-Beauftragte Martin Hirzel. Nachdem Gottfried Locher 2005 den Hut genommen hat, betreut der in der Deutschschweiz wenig bekannte Serge Fornerod (ex-HEKS Lausanne) die Kirchenbeziehungen.

Sozialethik – und wieder etwas mehr Theologie

Das durch die Zusammenlegung der Abteilungen Theologie und Ethik entstandene SEK -Institut leitet der frühere Zentralsekretär von ‚Brot für alle’, Christoph Stückelberger. Zum Tragen kamen seine Schwerpunkte Entwicklungs- und Umweltethik in den 2005 publizierten Globalisierungs-Perspektiven unter dem Titel ‚Globalance’, die 2006 konkretisiert wurden. Der Bereich Theologie wurde Anfang des Jahres von 100 auf 140 Stellenprozente aufgestockt. Die Studie „Wahrheitsgewissheit des christlichen Glaubens“, die in Kürze veröffentlicht wird, entstand ausser Haus: Der SEK liess sie durch den Basler Theologieprofessor Reinhold Bernhardt erstellen.

Rat wiedergewählt, zentrale Fragen ungelöst

Wie die acht Mitglieder des SEK-Rats SEK-Rats wurde sein Präsident Thomas Wipf im Juni von den Abgeordneten der Mitgliedkirchen mit fast allen Stimmen für vier weitere Jahre bestätigt. In seinen acht bisherigen Amtsjahren habe der SEK eine stärkere Präsenz in der Öffentlichkeit gewonnen, sagte der Ratspräsident der ‚Reformierten Presse’. Die „Ambivalenzen in Grundfragen des Kircheseins“ und bei sozialethischen Fragen hätten allerdings zugenommen; dies erschwere das Erarbeiten einheitlicher Positionen.

Hängt es damit zusammen, dass in den vier SEK-Bulletins des Jahres auf 120 Seiten Fragen von Theologie und Gemeindeleben, Gottesdienst und Bekenntnis (kurz: reformierte Identität am Ort) nicht erörtert wurden? Jedenfalls widerspiegeln sie akkurat, wie Wipf sein Amt versteht: den SEK „auf nationaler und internationaler Ebene in Ökumene, Politik und Gesellschaft“ zu vertreten. Dies tut der Zürcher – wie sein Vorgänger Heinrich Rusterholz – auch auf dem kontinentalen Parkett: Im September wurde er zum geschäftsführenden Präsidenten der ‚Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa’ GEKE gewählt.

An Stelle der Kirchen oder mit ihnen?

Einen Blick hinter das zur Schau gestellte Gesicht des SEK, einen Blick aufs Innenleben, erlaubte im Frühjahr die Berner kantonale Kirchenleitung. In der Beantwortung einer Motion forderte sie den verstärkten Einbezug der Mitgliedkirchen in die SEK-Arbeit, um das reformierte Profil im Land zu schärfen. Die Berner wünschen Massnahmen gegen die Zersplitterung der Reformierten „in eine Vielzahl an Werken, Institutionen, Unternehmen, Vereine“.

Vernehmlich brummt der Berner Bär in dem Satz, „dass der SEK seine Dienste nicht ausschliesslich und an Stelle seiner Mitgliedkirchen zu erbringen hat, sondern unter Einbezug derselben“. Es gehe nicht an, dass Themen wie Abendmahl und Taufe SEK-intern behandelt würden, „um dann in der Form einer Broschüre als fertiges Ergebnis der Abgeordnetenversammlung zur Kenntnisnahme vorgelegt zu werden. Gemeinsame Themen verlangen nach einem synodalen Prozess der Konsensfindung.“

Die Abgeordnetenversammlung – keine Synode

Die Berner machen klar, dass sie eine Zusammenführung der Kantonalkirchen in eine ‚Reformierte Kirche Schweiz’ (von Wipf 2005 angeregt) ablehnen. Vielmehr seien die synodalen Strukturen zu stärken. Dass die bloss zweimal jährlich tagende Abgeordnetenversammlung keine Synode ist, wird auch am religionspolitischen Hauptthema des Jahres deutlich: Weder das Anfang Jahr vom Rat publizierte „Aktivitätsprogramm“ zum Thema Islam noch die Stossrichtung des im Frühjahr gegründeten Schweizerischen Rats der Religionen (SCR) wurden von der Abgeordnetenversammlung diskutiert.

Blitz und Donner

Das Gesicht verlor der SEK-Rat, als in der Reformierten Presse (RP) im Sommer die Kolumne eines Berner Pfarrers erschien. Er thematisierte die hohe Personalfluktuation, die Mandatierung des Ratsvorsitzenden Thomas Wipf für den „Rat der Religionen“ und die (durch einen Beschluss 1998 selbst verursachte) Schwäche der Abgeordnetenversammlung gegenüber dem Rat.

Während der Geschäftsführer Theo Schaad der Kritik mit Argumenten begegnete, fuhr Ratsmitglied Silvia Pfeiffer der RP-Chefredaktorin Sylvia Senz grob an den Karren. Weitere Verurteilungen durch kirchenleitende Gremien führten im Oktober zur Freistellung der erfahrenen Chefredaktorin, was eine Debatte über die Freiheit kirchlicher Medien auslöste. Schon im Vorjahr hatte der Wipf-Mitarbeiter Markus Sahli im Aargauer Kirchenboten den Wunsch geäussert, die kirchlichen Medien vermehrt an den SEK anzubinden.

„Garstiger Graben“

Abgesehen von Thomas Wipf, seit Mai auch SCR-Vorsitzender, machten die SEK-Ratsmitglieder kaum Schlagzeilen. An einer Tagung in Konolfingen über Evangelikale Evangelikale innerhalb und ausserhalb der Landeskirche malte Pfarrer Ruedi Heinzer die Tiefe des „garstigen Grabens“ zwischen dem reformierten „Mainstream“ und Bibeltreuen an die Wand. Namentlich im Verständnis der Bibel und des Heils seien sie überhaupt nicht einig – und müssten doch miteinander reden.

Wie den Glauben erklären, wenn er nicht geklärt ist?

Derweil fragte der Nicht-Theologe Peter Schmid, Ratsmitglied aus der Nordwestschweiz, in der Zeitschrift ‚reformatio’, wie denn die Schweizer Reformierten ohne Bekenntnis und eindeutiges theologisches Profil für „den Fremden erkennbar“ würden – für die stark gewachsene Zahl der kirchenfernen Schweizer. Ihnen müsste der Glaube erklärt werden – „aber erklärt kann nur werden, was einigermassen geklärt ist“.

Auch am hehrsten Wert der Reformierten wagte Schmid zu kratzen: „Wenn die Freiheit zum stetig Ungefähren verkommt, verliert sie ihre Kraft und ihren Sinn.“ Im Blick auf die Profilierung der Reformierten findet Schmid die Idee einer Reformierten Kirche Schweiz „prüfenswert und zukunftsträchtig“.

Mit den Katholiken in die Öffentlichkeit

Ruedi Heinzer machte vor den Abgeordneten der Mitgliedkirchen deutlich, dass der SEK-Rat reformiertes Profil nicht an einem reformierten oder evangelischen (gemeinsam mit Freikirchen veranstalteten) Kirchentag herstellen will. Ein solcher Kirchentag sei – gemäss der 2005 unterzeichneten Charta Oecumenica – gemeinsam mit den Katholiken zu veranstalten. Für die Euro 08 sieht der SEK keine enge Zusammenarbeit mit Kickoff2008, dem Projekt der Schweizerischen Evangelischen Allianz, vor. An dem für 2010 geplanten Christustag will er wieder mitwirken.


Datum: 31.12.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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