Weshalb die Kirchen die neue Stop Aids-Kampagne nicht unterschreiben

‚Aufruf zur Solidarität’: Das BAG gelangte zu spät an die Kirchen.
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Schütze deinen Nächsten wie dich selbst’: Jugendliche vor Stop-Aids Plakat der bekannten Sorte

In der neuen Plakataktion des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) fallen drei eher ungewöhnliche Plakate auf. Das BAG hätte sie gerne mit dem Aufdruck „Ihre Kirchen und Stop Aids“ versehen. Daraus ist - zumindest in dieser Kampagne – nichts geworden.

Im vergangenen Mai lud das Bundesamt für Gesundheit die Vertreter der drei Landeskirchen zur Begutachtung von drei Slogans ein: „Auch gegenseitige Treue gibt Aids keine Chance“, „Vor Gott sind alle Menschen gleich. Mit und ohne Virus“ und „Die Nächstenliebe hört da auf, wo Menschen mit HIV und Aids ausgegrenzt werden“. Sie hängen im Rahmen der neuen Stop-Aids-Solidaritäts-Kampagne an den Plakatwänden. Die drei Landeskirchen wurden angefragt, ob sie sich mit Ausrichtung und Inhalt dieser Plakate identifizieren könnten. Damit wollte das BAG die Landeskirchen in den Kampf gegen die Ausgrenzung von Menschen mit HIV und Aids einbinden.

Doch so weit kam es nicht. Denn das BAG verkürzte den für die kirchlichen Entscheidungswege ohnehin schon knappen Termin nachträglich. Einzig der Synodalrat der christkatholischen Kirche konnte sich rechtzeitig entscheiden, , das Plakat zu unterzeichnen. Markus Sahli vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) erklärte sich „sehr erfreut“ über die Initiative des BAG. Die inzwischen eingegangenen Reaktionen der Mitgliedskirchen belegten, dass die Aktion allseits begrüsst worden wäre. Der Kirchenbund musste jedoch zuerst bei allen Kantonalkirchen nachfragen und die katholische Kirche wegen des Papstbesuchs die entscheidende Bischofskonferenz verschieben.

Der beste Schutz

Nicht angefragt wurde die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA), die „Treue“ als ideale Prävention gegen Aids bereits 2003 mit einer eigenen Plakataktion richtig ins Gespräch gebracht hatte und 2004 mit einem Brief an Bundesrat Couchepin und mit einem konkreten Plakat-Entwurf nachdoppelte.

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund hatte laut Markus Sahli die SEA Plakataktion 2003 mit 10.000 Franken unterstützt und seinerseits mit einem Brief an die zuständigen Stellen für Nachdruck gesorgt.

Dass „der beste Schutz aber immer noch die Treue ist“, daran erinnerte anlässlich der Störmanöver der Aids-Hilfe Schweiz beim Papstbesuch auch Marc Aellen, Vize-Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz.

Inzwischen hängen die genannten Plakate ohne die Unterschrift der Kirchen. Projektleiter Roger Staub, Leiter Sektion Aids beim BAG, räumte gegenüber der NZZ ein, dass das BAG die Gespräche zu spät angesetzt und damit die Sache „verschlafen“ habe. Staub will darauf hinarbeiten, dass ein nächster Anlauf gelingt. Das BAG hat insbesondere nach den Papst und Kirche beleidigenden Slogans in der Karwoche 2003 gegenüber den Katholiken etwas gut zu machen.

Ein stiller Vorwurf an die Kirchen?

Hansjörg Leutwyler, Zentralsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA), sagte gegenüber Livenet, dass er hinter der Botschaft der drei Plakate stehen könne und insbesondere die Thematisierung der Treue sehr begrüsse. Auch der Zentralvorstand hätte sich wohl hinter die Plakate gestellt, sofern er einen Entscheid hätte treffen müssen. Leutwyler warf allerdings die Frage auf, ob hinter den Texten nicht auch ein stiller Vorwurf an die Kirchen liegen könnte, dass sie gegenüber den Aids-Infizierten zuwenig solidarisch seien. Zum andern dürften die Texte nicht das Missverständnis wecken, die Kirchen unterstützten verantwortungsloses Verhalten.

Markus Allemann, Leiter der Stop Aids Kampagne beim BAG, will hinter den neuen Botschaften aber keineswegs eine Ermahnung an die Kirchen sehen. Die „Solidaritätskampagne“ sei ein Grundpfeiler der Kampagnen. Die Gläubigen seien hier ein wichtiges Zielpublikum, das die Solidarität mittrage und Nächstenliebe praktiziere. Allemann sieht die Solidarität auf der individuellen Ebene bislang nicht gefährdet. Eher schon auf der strukturellen Ebene, bei Versicherungen zum Beispiel. Er räumte ein, dass die neue Kampagne auch auf Gespräche vor allem mit der römisch-katholischen Kirche zurückgehe. Allerdings sei die Treuebotschaft schon früher in der Stop Aids Kampagne vermittelt worden. Diese müsse aber – um nicht irreführend zu wirken – in einer der gesellschaftlichen Situation angepassten Sprache umgesetzt werden. Betont werde deshalb die gegenseitige Treue, so Allemann gegenüber Livenet.

Solidaritäts-Schleife statt Kondom

Die römisch-katholische Kirche hätte die Plakate in der jetzigen Form nicht unterschrieben. Agnell Rickenmann, Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz, macht klar, dass seine Kirche nur hinter Stop Aids-Plakaten stehen kann, die das Problem „nicht auf die technische Frage der Kondombenutzung reduzieren“. Ausserdem müsste der Wert der Treue stärker ins Zentrum gerückt werden. Gegenüber Livenet bestätigte Rickenmann, dass für die Katholiken das anstelle des „O“ in „Stop Aids“ verwendete Präservativ nicht akzeptabel sei. Eine Schwierigkeit, die sich nach Ansicht von Roger Staub vom BAG leicht ausräumen liesse, wenn man das Präservativ auf den fraglichen Plakaten durch die rote Solidaritäts- Schleife (Red Ribbon) ersetzen würde.

Damit würde man auch den andern Landeskirchen entgegenkommen. Die Schweizerische Evangelische Allianz hatte schon 2003 mit ihrem Plakat den Vorschlag gemacht, das „Kondom-O“ durch einen Ehering zu ersetzen. Ein Vorschlag, der auch Agnell Rickenmann gefällt.

Datum: 14.07.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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