Rituale für gleichgeschlechtliche Paare: die Zürcher Reformierten nach vier Versuchsjahren

Homo-Ehe

Die Art und Weise, wie sich Landeskirchen für Ehe und Familie einsetzen, dürfte für ihre Zukunft wesentlich sein. Doch wie sollen sie der Vielfalt der Lebensformen in der Gesellschaft Rechnung tragen? Für die Leitung der Zürcher reformierten Landeskirche ist der Einsatz für die Ehe von Mann und Frau vereinbar mit der Anerkennung anderer, nicht-ehelicher Lebensformen.

Die Zürcher Kirchensynode, das Parlament, genehmigte im Juni 1999 einen Bericht des Kirchenrats, in dem die Diskriminierung von Homosexuellen in der Vergangenheit als Schuld der Kirche anerkannt wurde. Die Homosexualität wurde als eine Ausprägung der menschlichen Sexualität akzeptiert, die „verantwortlich gelebt“ und „als erfüllend erfahren werden kann“. Die anderslautenden Aussagen der Bibel wurden von der grossen Mehrheit der reformierten Synode als nicht relevant angesehen. (Homosexualität ist bei den Zürcher Reformierten auch „kein Hinderungsgrund bei der Übernahme eines kirchlichen Dienstes“.)

Die ‚Öffnung‘ von 1999

Als Zeichen der Öffnung erlaubte die Kirchensynode damals, auf Betreiben von Homosexuellen-Organisationen und ihrer Fürsprecher, kirchliche Segnungsfeiern – vorerst für eine vierjährige Versuchsphase. In einer aufwendigen Konsultation hatte sich nämlich bloss eine dünne Mehrheit der örtlichen Kirchenpflegen und zwei Drittel der Zürcher Pfarrer dafür ausgesprochen. Aus der Kirchenbasis erhielt der Kirchenrat zahlreiche ablehnende Stellungnahmen.

Im Bericht an die Synode schrieb der Kirchenrat daher, dass „eine offizielle Einführung von Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare dem Empfinden eines grossen Teils der Kirchenmitglieder nicht gerecht würde“. Die Zürcher Kirchenordnung sehe für Homo-Paare keine eigene kirchliche Amtshandlung vor, heisst es denn auch im Beschluss der Synode. Den Schwulen- und Lesben-Paaren aber, die „dennoch ein Ritual, eine liturgische Feier für ihre Beziehung wünschen, kann diese aus seelsorgerlichen Gründen, im Einvernehmen mit der Kirchenpflege, ermöglicht werden.“ Die Pfarrer der Kirche, die eine solche Feier durchführen wollten, wurden gebeten, ihre Erfahrungen zu melden und ihre Liturgien zu dokumentieren.

Vier Jahre später: bloss fünf Feiern gemeldet

Nun, vier Jahre später, wird der Versuch ausgewertet. Die Datenbasis ist äusserst mager: Bloss fünf Feiern sind dem Kirchenrat in der Zeitspanne gemeldet worden, wie der Zürcher Kirchenbote in seiner neusten Ausgabe schreibt. Pfr. Frieder Furler, bei den Gesamtkirchlichen Diensten für Gottesdienstfragen zuständig, vermutet allerdings eine rechte Dunkelziffer: dass ‚Zürich‘ von manchen Feiern gar nichts erfahren habe.

Ein (nicht weiter identifizierter) Pfarrer S., der schon solche Gottesdienste durchführte, bestätigte dies dem Kirchenboten: „Viele dieser Feiern wurden bewusst nicht gemeldet, weil sie der kirchenrätlichen Anfrage, keine kirchliche Trauung sein zu dürfen, widersprechen“. Denn es sei fast unmöglich, nicht an eine Trauung zu erinnern, da „auch Homosexuelle einander Treue versprechen und als Zeichen der Verbundenheit die Ringe tauschen“ wollten. – Die Vorgabe im Beschluss vom Juni 1999 war klar: „Solche Feiern unterscheiden sich erkennbar von kirchlichen Trauungen“.

Kirche instrumentalisiert

Laut Claudio Schneider von den „Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich“ werten Homosexuelle den Beschluss von 1999 als wichtiges Zeichen der Kirche – auch wenn sie sich nicht in der Kirche das Ja-Wort geben wollten.

Der erwähnte Pfarrer meint gar, dass für die Homosexuellen-Organisationen das kirchliche Ritual „ein wesentlicher Wegbereiter für die staatliche Registrierung“ war.

Auch deswegen (weil sie darin eine Instrumentalisierung der Kirche für politische Anliegen erkannten) lehnten konservative Kreise in der Zürcher Kirche den Vorschlag schon damals ab – und das Ergebnis des Versuchs kann nur so interpretiert werden: Es gab und gibt kein echtes Bedürfnis nach solchen Feiern, auch wenn (oder gerade weil?) Zürich als eines der Zentren der Schwulen in Europa gilt. Und von der kleinen Zahl jener, die eine kirchliche Feier wünschten, hielten sich offenbar die meisten nicht an die Vorgabe der Kirchenleitung.

Ist das die Pluralität, die wir wollen?

Doch Frieder Furler sieht den Versuch nicht als missraten an. Es sei wichtig und mutig gewesen, dass die Kirche damals in der Frage Stellung bezogen habe, sagte er gegenüber Livenet. Die Deutschschweizer Liturgiekommission habe inzwischen Formulare für solche Feiern ausgearbeitet (sie sollen im September im Internet veröffentlicht werden).

Furler meint, die Kirche komme nicht darum herum, die Vielfalt der Lebensformen in der Gesellschaft zu bejahen. Sie beschädige den gesellschaftlichen Wert von Ehe und Familie damit nicht. Genau dies wird von bibelorientierten Kreisen in den reformierten Kirchen bestritten. Furler dagegen setzt auf eine Vorwärtsstrategie: Die Kirchen müssten sich generell überlegen, welche Feiern sie für besondere Situationen und Lebensübergänge – und nicht zuletzt für Paare im (Alters-)Konkubinat – anbieten sollten.

Hebelwirkung nun auf die andere Seite

Dass der Staat gleichgeschlechtliche Paare registriert (der Kanton Zürich tut es seit einigen Wochen; der Bundesrat will es schweizweit regeln), ist den homosexuellen Aktivisten nicht genug. Nachdem kirchliche Beschlüsse (neben Zürich auch in Bern und anderen reformierten Kantonalkirchen) die Akzeptanz einer rechtlichen Anerkennung erhöht haben, soll das Recht nun auf die Kirchen zurückwirken: Pfarrer S. meint im Kirchenboten, die Kirche müsse jetzt darauf achten, „dass sie den Anschluss nicht verpasst“. Es sei unglaubwürdig, wenn sie „nur halbherzige Feiern mit komplizierten Einschränkungen“ anbiete...

Datum: 22.08.2003

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