Sandra P.: «Schwanger – da drohte er mir»

Ein hübsches Bäuchlein (die Bilder haben keinen Zusammenhang mit Sandra P.*).
Noch ist der Wagen leer …
Lange wird’s wohl nicht mehr dauern.
Bald ist es auch bei Sandra soweit. Bild: Filmszene aus «Kuck mal, wer da spricht» mit John Travolta.

In zwei Tagen hat Sandra P.* aus dem Kanton Aargau ihren Termin; am 4. Oktober 2006 soll ihr Baby zur Welt kommen. Der Vater wollte, dass sie es abtreibt, und bedrohte sie sogar. Sandra P. berichtet, wie sie Hilfe fand.

"Den Vater meines Kindes lernte ich im Ausgang kennen. Wir haben uns immer wieder getroffen und hatten es immer gut miteinander. Es war aber nur eine Sexbeziehung. Er wusste, dass ich nicht verhüte, und ich wusste, dass auch er es nicht tut. Ab und zu taten wir es mit Kondom. Einmal verhüteten wir nicht, und dann kam raus, dass ich schwanger bin. Ich hatte Angst, ihm das zu sagen. Denn wir hatten ja nur eine Sexbeziehung.

Lügen und Drohungen

Meine Angst bestätigte sich. Alles wurde anders. Vorher hatte er mir gesagt, er sei halb Italiener, halb Spanier. Auch sein Name stimmte nicht. Er kam aus Serbien-Montenegro. Er fuchtelte mit dem Pass herum. Seinen richtigen Namen kenne ich nicht. Aber sein Alter konnte ich auf dem Pass erhaschen: Er ist erst 21, nicht 27, wie er vorher gemeint hatte.

Für ihn war klar, dass ich abtreibe. Er könne nicht damit leben, dass etwas von ihm auf der Welt sei, das er nicht liebe. Wenn ich abtreibe, sei er 24 Stunden am Tag für mich da, sagte er. Wenn ich es aber behalte, würde ich ihn und das Baby nie mehr sehen.

Mit der Angst leben

Seine Eltern dürfen davon nichts wissen, denn er ist Moslem. Nicht ein strenggläubiger, aber er isst zum Beispiel kein Schweinefleisch. Mehrfach bedrohte er mich, und auch seine Schwester verlangte, dass ich abtreibe. Ich hielt dagegen, dass das mein Körper und mein Entscheid sei. Mir war klar, dass ich das Kind behalten will.

Einmal drohte er, dass er kommen werde, um mich zu erschiessen. Ich sagte, wenn er nicht aufhört, zeige ich ihn an. Da wurde es ruhig. Bis auf seinen Satz, dass ich ihn nie mehr sehen werde und dass ich das ganze Leben lang Angst davor haben müsse, dass mir oder dem Kind etwas passiert.

Sicher nicht abtreiben

Er kommt aus Zürich. Es gibt Zeiten, in denen ich tatsächlich Angst habe. Zum Beispiel wenn jemand ihm gleicht. Oder wenn ich mit meiner Kollegin weg bin, zum Beispiel in Zürich. Ich frage mich, was das für ein Mensch ist. Und ob er nicht weiss, was für ein schwerer Entscheid das für eine Frau ist. Ich war noch recht jung, 19 Jahre und in der KV-Lehre. Aber mir war klar, dass ich mein Kind nicht wegmachen will. Denn ich wusste, dass es schon lebt. Abtreiben wäre nie in Frage gekommen.

Rückendeckung von der eigenen Familie

Meine Mutter ist in einer Freikirche, in der EFRA.** Ich bin auch Christin. Meine Mutter erzählte es dort, und man wies sie auf Lea hin, eine Organisation, die Frauen hilft, die ungewollt schwanger werden.*** Ich fühlte mich alleine und wollte mir das anschauen gehen.

Sie halfen mir, sagten, wenn er wieder droht, solle ich ihn anzeigen. Und man schaute für Pflegeeltern. Für mich war das eine Bestätigung, dass es so gut ist. Auch meine Eltern stehen hinter mir. Sie sind zwar seit 13 Jahren geschieden, aber beide decken mir den Rücken.

Dann kam Michael

Aber meine Geschichte ist noch nicht fertig. Ich mache die Kaufmännische Lehre im Kanton Aargau. In der Schule lernte ich einen jungen Mann kennen, Michael*. Er ist 21, und wir verliebten uns, als ich im dritten Monat war. Ich hatte aber Angst, dass er mich verlässt. Einen Monat lang verschwieg ich es. Meine Mutter forderte, dass ich es endlich sagen soll. Ich tat es.

Er war enttäuscht. Vorher sei alles perfekt gewesen, sagte er. Nie habe er jemanden so geliebt. Er brauche jetzt Zeit und Abstand, um zu überlegen, wie es weitergehen soll. Ich zwang ihn nicht. Er redete mit seinen Eltern und Kollegen. Das half auch nicht weiter. Er musste sich ja selbst entscheiden.

Nur noch zweimal schlafen…

Wir trafen uns immer wieder und weinten auch zusammen. Es war für ihn ein schwerer Entscheid, er ist auch noch jung. Ich betete oft zu Gott und sagte ihm, dass es schön wäre, wenn er bleiben würde... Jetzt sind wir zusammen und freuen uns auf das Baby.

Es ist ein reifer Entscheid, und Michael macht das mit mir. Er ist eine grosse Hilfe, und er freut sich auch. Es wird ein Bub. Der Termin ist am 4. Oktober 2006."

* Die Namen der Beteiligten wurden geändert.
** EFRA: Evangelische Freikirche Rafz
*** Lea steht für "Leben erhalten und annehmen"

Weiterführende Links:
Wer ungewollt schwanger wird, erhält Hilfe bei Lea
Mutter mit 16 – wie andere auch...
Der einfache Griff zur „Pille danach“

Datum: 02.10.2006
Autor: Daniel Gerber

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