Anonyme Geburt: Schweizer Recht blockiert flexible Lösung

Babyklappe
Spital Einsiedeln

Das Recht auf anonyme Geburten ist ein umstrittenes Thema. Am 24. Juni führten das Regionalspital Einsiedeln und die «Stiftung für Mutter und Kind» (SHMK) in Einsiedeln eine Fachtagung dazu durch. Die kontroversen Standpunkte wurden dabei nochmals deutlich.

Lebensschutzorganisationen wie die Stiftung «Mutter und Kind» sprechen sich für die Möglichkeit der anonymen Geburt in Spitälern aus. Sie argumentieren, dass heimliche Geburten ohne medizinische Betreuung für Gebärende und Kinder ein hohes gesundheitliches Risiko darstellen.

Welches Recht verhilft zum Leben?

Nach Meinung der Juristin Regina E. Aebi-Müller spielt das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung in der Diskussion eine zentrale Rolle. Es lasse sich aus der Bundesverfassung und aus völkerrechtlichen Übereinkommen ableiten.

Dagegen sahen Jürgen und Leila Moysich die anonyme Geburt mit dem europäischen Recht vereinbar. Der europäische Gerichtshof habe diese als wirksames Instrument zum Schutz gegen Aussetzung und zur Vermeidung von Abtreibungen eingestuft. Das Recht des Kindes, seine Abstammung zu kennen, müsse in diesem Fall zurückstehen hinter das Recht des Kindes auf Leben und das Recht der Mutter auf körperliche Unversehrtheit.

Das begrenzte Recht auf Wissen um die Eltern

In der Tat hat im Februar 2003 das höchste europäische Gericht die Klage einer 36-jährigen anonym geborenen Französin abgewiesen, die vom Staat das Recht auf Bekanntgabe ihrer eigenen Herkunft erzwingen wollte.

In der Begründung hiess es, dass das Recht auf eine anonyme Geburt mit der europäischen Menschenrechtskonvention konform sei. Es liege im Entscheidungsspielraum des Staates, eine solche zuzulassen. In Frankreich ist das Recht auf eine anonyme Geburt gesetzlich verankert. Jährlich werden dort 500 bis 700 Kinder anonym geboren.

Vorstoss im Nationalrat

In der Schweiz existiert bisher kein Recht auf anonymes Gebären. Mit einer Motion griff EDU-Nationalrat Christian Waber das Thema 2001 erfolglos auf. Es sei nicht erwiesen, so die bundesrätliche Antwort, dass die anonyme Geburt geeignet sei, Leben und Gesundheit von Kindern zu schützen. Anders als bei der Debatte um die Abtreibung, verlaufen die politischen Fronten bei der aktuellen Frage weniger zwischen links und rechts.

Josy Gyr (SP), die in der diesjährigen Sommersession eine Motion zur Einführung der anonymen Geburt eingereicht hat, war in Einsiedeln ebenfalls anwesend. Für sie bildet der Zeitpunkt der Geburt eine Chance dafür, dass die Mutter zusammen mit Arzt und Hebamme möglichst viele Detailinformationen in einem verschlossenen Couvert hinterlegen könnte, die eine spätere Zusammenführung von Mutter und Kind möglich machen würden.

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Kommentar: Gott vergessen

Noch während der Abtreibungsdebatte im Jahre 20x00 argumentierten Befürworter der Fristenlösung in erster Linie zugunsten des Selbstbestimmungsrechts der Frau. Die Rechte der werdenden Menschen fanden kaum Erwähnung. Heute, nur wenig später, jaulen dieselben Parlamentarier auf und sorgen sich um das Wohl des Kindes, welches allenfalls später unter Identitätsproblemen zu leiden habe, weil ihm seine Herkunft verborgen bliebe.

Die Selbstbestimmung der Frauen scheint dabei vergessen zu sein. Das widersprüchliche Verhalten der Parlamentarier ist für mich nur so erklärbar: Bei der Abwägung von Pro und Kontra zeigt sich ganz einfach, welche Politiker in unserem Land sich an der Existenz Gottes als Schöpfer orientieren und wer sich wirklich für das Wohl des Kindes stark macht.

Autorin: Helena Gysin

Datum: 16.07.2005
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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