250. Geburtstag von Mozart: Papstbruder Georg Ratzinger über die Musik von Mozart

Georg Ratzinger
Wolfgang Amadeus Mozart
Papst Benedikt XVI bei einem Konzert.

Am 27. Januar vor 250 Jahren wurde Wolfgang Amadeus Mozart geboren. Der Komponist geniesst auch in der Familie von Papst Benedikt XVI. höchstes Ansehen. Der frühere Regensburger Domkapellmeister und Papstbruder Georg Ratzinger (81) sprach mit der Presseagentur Kipa in Regensburg über Mozart.

Herr Domkapellmeister, wie kamen Sie und Ihr Bruder zum ersten Mal mit Mozart in Berührung?
Georg Ratzinger: Bei uns zu Hause haben wir Harmonium gespielt. Unsere Eltern waren der Meinung, dass es uns auf die Orgel vorbereitet. In einem Übungsheft war auch ein zweizeiliges Stück, angeblich von Mozart. Ich habe es später nie identifizieren können. Eine Steigerung war das Mozartjahr 1941. Im 150. Todesjahr des Komponisten kam im Radio jeden Sonntag eine Mozartübertragung, während der Mittagessenszeit. Da ich in der Familie am meisten musikalisch engagiert war, durfte ich den Platz des Vaters am Tisch einnehmen, der direkt beim Radio war. Im Juli war ich dann mit meinem Bruder bei einem Mozartkonzert der Regensburger Domspatzen in Salzburg. Sie haben dort einige Bearbeitungen aus "Der Schauspieldirektor" gesungen, in Kostümen, es war ganz köstlich. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.

Welches Mozartwerk mögen Sie am liebsten?
Ratzinger: Ein absolutes Lieblingsstück könnte ich nicht nennen. Zu den Spitzenwerken, die meine grösste Sympathie haben, gehört die leider Gottes unvollendete C-Moll-Messe, aber natürlich auch die Krönungsmesse und die drei kleinen Messen in B-, D- und F-Dur. Das sind reine Streichermessen mit Chor und Solisten, aber von einer grossen Festlichkeit und Gläubigkeit, wie ich finde.

Stört es Sie, dass Mozart Freimaurer war?
Ratzinger: Es steht mir nicht zu, über Mozart den Richterstab zu brechen. Er war ein Mensch mit vielen Schwierigkeiten, die sich aus der Zeit damals und aus seinen Lebensumständen ergeben haben. Das mit der Freimaurerei stört mich insofern, weil er nicht nur einfaches Mitglied war, sondern den Meistertitel erwarb und sogar eine eigene Loge gründen wollte. Die Freimaurerei war damals in Wien offenbar in Mode. Sicherlich hat er sich von seiner Mitgliedschaft wirtschaftliche Vorteile erhofft. Ob er über die theologische Problematik nachgedacht hat, weiss ich nicht.

Manche bezeichnen Ihren Bruder als "Mozart der Theologie". Wie finden Sie diesen Titel?
Ratzinger: Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat diesen Vergleich geprägt. Er hat eine gewisse Berechtigung. Die Theologie meines Bruders ist nicht so problembeladen und schwierig wie die von Karl Rahner, den ich persönlich sehr schätze. Zielstrebigkeit, Klarheit und Form, das verbindet sein Werk schon irgendwie mit Mozarts Musik.

Der Papst spielt auch Klavier. Was ist seine Lieblingsmusik?
Ratzinger: Besonders gern hört er das Klarinettenkonzert und auch das Klarinettenquintett. Ich muss gestehen, mir persönlich ist die Oboe lieber. Aber Mozart hat wirklich himmlische Werke für diese Instrumente geschrieben und das sind die Lieblingskompositionen von meinem Bruder.

Hat er jetzt noch Zeit, selbst in die Tasten zu greifen?
Ratzinger: Sehr selten. Aber als ich das letzte Mal mit den Domspatzen im Oktober in Rom war, stand der Klavierdeckel offen und es lagen Mozartsonaten aufgeschlagen da. Er weiss selber, dass seine Interpretation keine künstlerischen Ansprüche erheben kann, aber er hat seine Freude daran. Und sein Wollen, Musik zu machen, findet bei Mozart immer noch die schönsten Möglichkeiten.

Was für ein Klavier hat er denn?
Ratzinger: Es ist keine besondere Marke. Wir haben es gekauft, als er Dozent in Freising war. Die Technik ist nicht so toll, aber es schaut aussen recht schön aus und der Klang ist ganz ordentlich. Für den Papst-Palazzo in Castelgandolfo hat die Firma Steinway einen kleinen Flügel gestiftet. Ich habe ihn früher sehr gern gespielt. Dann sollte auch einer für den Vatikan angeschafft werden. Da hat mein Bruder gesagt, es lohnt sich nicht. Erstens hat er nicht viel Zeit und zweitens schätzt er sein Können realistisch ein. Um das zu spielen, was er möchte, tut's sein altes Klavier noch.

Mit geistlichen Autoritäten wie dem Salzburger Erzbischof Colloredo, seinem zeitweiligen Dienstherrn, hatte der Komponist seine Schwierigkeiten.
Ratzinger: Der Mozart hat seinen Kopf gehabt und Colloredo noch mehr. Wobei ich sagen muss: Wenn ich Erzbischof gewesen wäre, hätte ich Mozart schon auch gesagt, wofür zahle ich Dich eigentlich, wenn Du so viel unterwegs bist? Wo gibt es das heute noch, dass ein Arbeitnehmer jahrelang abwesend sein darf? Andererseits hätte sich Mozarts künstlerisches Genie ohne die Reisen vielleicht nicht in dieser Weise entwickelt.

Auch der damalige Papst Benedikt XIV. hätte guten Grund gehabt, über Mozart erzürnt zu sein. Als Vierzehnjähriger entriss er dem Papst eines seiner bestgehütetsten Geheimnisse, als er ein Stück zu Papier brachte, das er in der Sixtinischen Kapelle gehört hatte und dessen Noten bis dahin nur Eingeweihten des päpstlichen Hofes bekannt waren. War das nicht unanständig?
Ratzinger: Man muss die ganze Story erzählen. Der Papst hat nicht engherzig und geizig reagiert, sondern das junge Talent zum "Ritter vom Goldenen Sporn" ernannt. Eine souveräne Reaktion.

Ist Mozarts Musik göttlich?
Ratzinger: Sie ist eine Botin des Glücks der Seligkeit, die die himmlische Realität abbildet, das auf alle Fälle. Und sie kündet von der Einheit der Schöpfung mit ihrem Schöpfer.

Haben Sie einen persönlichen Wunsch für das Mozartjahr?
Ratzinger: Ich freue mich immer, wenn ich Mozart hören kann. Leider bringt das von mir geschätzte Programm Bayern 4 inzwischen oft Jazz statt Klassik - und da werde ich immer grantig. Ich bezweifle, dass der Bayerische Rundfunk dadurch Hörer gewinnt. Das können Sie ruhig schreiben.

Interview: Christoph Renzikowski/Ludwig Ring-Eifel

Datum: 20.01.2006
Quelle: Kipa

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