Dignitas vor der Nagelprobe
Der Verein Dignitas, so die Meldung in zahlreichen Medien vom Wochenende, muss der Zürcher Staatsanwaltschaft die Belege für einen «Sonderbeitrag» herausgeben, den zwei Frauen vor ihrem Suizid an den Verein von Ludwig A. Minelli überwiesen haben.
Die Geschichte
Eine betagte Frau aus Deutschland und ihre Tochter hatten sich im Juni 2010 mit Unterstützung von Dignitas das Leben genommen. Die Staatsanwaltschaft See/Oberland fand bei den Toten Aufzeichnungen, in denen von der Überweisung eines «Sondermitgliedschaftsbeitrags» an den Suizidhilfeverein von Ludwig A. Minelli die Rede war. Dignitas weigerte sich aber, Dokumente herauszugeben, die mit der Zahlung der beiden Frauen zu tun haben. Doch genau diese Unterlagen könnten einen Beleg dafür sein, dass die Organisation aus «selbstsüchtigen Gründen», wie es im Gesetz heisst, gehandelt hat. Dignitas hat sich nun bis vor Bundesgericht dagegen gewehrt, dass die Unterlagen, die sie zuvor nach einigem Hin und Her ausgehändigt hatte, der Staatsanwalt übergeben werden dürfen. Das Bundesgericht hat nun aber gegen die Suizidhelfer um Ludwig A. Minelli entschieden.
Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts besteht ein hinreichender Verdacht auf eine mögliche Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Gründen. Für die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft genügt die Zahlung der bei Dignitas üblichen Aufwandentschädigung von immerhin 6000 bis 7500 Franken pro begleiteten Suizid noch nicht für den Nachweis selbstsüchtiger Motive. Sie will aber nun wissen, ob der Begriff «Sondermitgliedschaftsbeitrag» nicht darauf hinweist, dass im vorliegenden Fall mehr einbezahlt worden sei, als in den Statuten vorgesehen.
Die Folgerungen daraus
Im Blick auf die «selbstsüchtigen Gründe» wurden die Suizidhelfer bislang von den Behörden und Gerichten milde beurteilt. Immerhin kann man fragen, ob es nicht bereits «selbstsüchtig» ist, mit der Hilfe zum Selbstmord ein Geschäft zu machen, indem der Aufwand in Tausenden von Franken in Rechnung gestellt und damit Personal entlöhnt wird. Wenn man «selbstsüchtig» mit dem moderneren Begriff «eigennützig» gleichsetzt, muss man feststellen: Uneigennützigkeit kann eigentlich nur vorliegen, wenn der Hauptteil einer «gemeinnützigen» Arbeit ehrenamtlich ausgeführt wird, wie dies etwa in andern Vereinen geschieht.
Zwar können auch Vereine Mitarbeitende einstellen und bezahlen, um ihren Zweck auszuführen. Aber auch in Vereinen ist es üblich, dass zum Beispiel die Vorstandsarbeit ehrenamtlich geleistet wird. Wenn aber gerade ein ethisch dermassen umstrittener Zweck wie die Suizidhilfe von bezahlten Mitarbeitenden ausgeführt wird und wenn – wie im Falle von Dignitas – dafür Entschädigungen und Zuwendungen entgegengenommen und die Finanzen nach aussen nicht transparent sind, dann liegt der Verdacht nahe, dass die Tätigkeit nicht uneigennützig ist. Von der Zürcher Staatsanwaltschaft darf jetzt erwartet werden, dass sie dem geltenden Gesetz Nachachtung verschafft.
Zum Thema:
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Datum: 06.12.2011
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet