Bankgeheimnis-Initiative

Die «Steueroptimierung» des kleinen Mannes

Wie viel soll der Bürger vor dem Staat verstecken können? Wenn es um Geld geht, wird die Sache für viele ernster als etwa bei persönlichen Daten, die ein Nachrichtendienst über uns sammelt. Gedanken zur Bankgeheimnisinitiative – und zum nationalrätlichen Gegenvorschlag dazu.
Steuererklärung
Der Nationalratssaal

Der Staat ist für die einen eine Solidargemeinschaft, die dem Einzelnen Recht verschafft, ihn schützt und ihn im Notfall auch versorgt. Für andere ist er ein linkes Konstrukt, vor dessen Zugriffslust und Gier, vor dessen Funktionären man sich schützen muss.

Für letztere ist es eine ausgemachte Sache, dass man den Staat so «schlank» wie möglich halten muss. Wenn es um Steuern geht, kann es nur um Steuersenkungen gehen. Oder aber um «Steueroptimierung», um nicht das böse Wort Steuerhinterziehung zu gebrauchen.

Keiner kann aus dem Staat austreten

Gegenüber anderen Solidargemeinschaften wie Genossenschaften oder Vereinen hat der Staat den Nachteil, dass man ihn nicht freiwillig auswählen und auch nicht aus ihm austreten kann. Man ist seinem Apparat irgendwie ausgeliefert. Das wird für die meisten nirgendwo so spürbar, als wenn es um die Einkommens- und Vermögenssteuern geht. Jeder trachtet danach, hier möglichst wenig abliefern zu müssen. Medien bieten jährlich eine Kaskade von Steuersenkungstipps an, Berater bieten ihre meisten nicht ganz billige Beratung an. Sie kann sich lohnen, wenn es darum geht, Geld vor dem Staat zu verstecken. Die Schweizer Gesetze und ihre Finanzdienstleister boten und bieten zum Teil weiterhin ausländischen – und inländischen – Vermögenden zahlreiche Möglichkeiten, dies zu tun.

Unterstützung im Nationalrat

Nach der Preisgabe des Bankgeheimnisses für ausländische Kunden geht es jetzt darum, das Bankgeheimnis im Inland zu sichern. Dazu hat der Banker Thomas Matter eine Volksinitiative eingereicht, die sehr weit geht und regelrecht einem Steuerhinterziehungskonstrukt gleichkommt – und daher zu viele Gegner mobilisieren könnte. Weil solche Vorlagen, die «das Fuder überladen» aber in der Abstimmung wenig Chancen haben, hat die nationalrätliche Wirtschaftskommission einen Gegenentwurf aufgegleist, der im Wesentlichen die heutige Regelung bezüglich Bankgeheimnis in die Verfassung schreiben will. Er dürfte gute Chancen auf Annahme «beim Volk» haben.

Der «kleine Bschiss»

Vor der Aufhebung des Inland-Bankgeheimnisses fürchten sich viele Schweizer. Viele möchten sich gerne den «kleinen Bschiss» offen halten, wie es unlängst ein Ökonom formulierte. Vielleicht ein kleines Bankkonto, mit dem man sich einen Wunsch erfüllen will und das man daher nicht noch versteuern möchte. Es kann auch ein Konto mit einem grösseren Betrag sein, den man vor neugierigen Erben – oder dem Staat, wenn es um Sozialbeiträge zum Beispiel für die Altenpflege geht – geheim halten möchte. Denn Zuschüsse des Staates hängen vom vorhandenen Vermögen ab.

Und wenn schon die Reichen dieser Welt immer wieder ihre Steuerschlupflöcher nutzen, weshalb sollte ich nicht auch ein kleines Schlupfloch haben...?

Was ist seliger: geben oder nehmen?

Die Sicherung des Bankgeheimnisses für Schweizer, vor allem wenn es generell mit dem «Schutz der Privatsphäre» verknüpft und begründet wird, dürfte in einer Abstimmung gute Chancen auf Annahme haben. Es widerspiegelt die ambivalente Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Staat und seinen Organen. «Ich zahle gerne Steuern», schrieb kürzlich ein Gründungsmitglied von «ChristNet«. Auch Kassensturz-Moderator Ueli Schmezer liess sich zu diesem Bekenntnis verleiten. Mit dieser Haltung dürften sie ziemlich einsam dastehen. Beim Staat ist nehmen halt doch seliger als geben.

Dass ein funktionierender Rechts- und Sozialstaat eine Errungenschaft ist, die auch aus christlicher Sicht ein hohes Gut darstellt, ist dennoch mehr als nur einen gelegentlichen Gedanken wert.

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Datum: 07.04.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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