Ex-Libanon-Präsident

«Wir müssen beginnen, mit dem Undenkbaren zu rechnen»

Die Christen im Nahen Osten erleben «das Schreckgespenst des Genozids». Dies sagt niemand Geringeres als der frühere Präsident des Libanon, Amin Gemayel. Seine Beobachtungen schilderte er anlässlich der Beratungen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.
Amine Gemayel

Mit seinen Worten rüttelte der frühere Präsident Libanons bereits vor der Konferenz des UN-Sicherheitsrats auf einer Lesung am Boston College auf, als er über die Gräueltaten gegen Christen und andere Minderheiten im Nahen Osten sprach. «Nie habe ich gesehen, dass die Christen in dieser Region derart in Gefahr sind», warnte Amine Gemayel. Hierbei bezeichnete er das Jahr 2014 als Jahr existenzieller Krisen. Was Christen und andere Minderheiten durch die Hand des Islamischen Staats und anderer Extremisten erlebt hatten, sei «das Schreckgespenst eines Genozids».

«Wenn sich die negativen Trends so weiterentwickeln, müssen wir beginnen, mit dem Undenkbaren zu rechnen: Der Auslöschung des Christentums in der Region.»

Nicht verhindert

Unerklärlich sei, wie wenig Aufmerksamkeit diese Krise von der internationalen Gemeinschaft erhalte. Die Reaktion der USA sei ausgeblieben. Gemayel erwähnte, dass Washington im vergangenen Sommer nicht in der Lage war, den Islamischen Staat mit Luftschlägen wesentlich zu schwächen. Die massive religiöse Säuberung, die vor allem irakische Christen und Jesiden traf, konnte nicht verhindert werden.

Er sei im Klaren, dass die USA konstant mit Anfragen überschüttet würden, an verschiedenen Orten einzuschreiten. Doch Gemayel strich heraus, dass die Vereinigten Staaten nicht nur die militärischen Mittel hätten, um mehr zu tun, sondern auch politisch mehr Einfluss nehmen könnte, um die Situation zu verändern.

Marshallplan

Spezifisch ermutigte Gemayel die Obama-Administration, den Vatikan-Vorschlag für eine UN-unterstützte Militärstreitkraft einzusetzen, in der auch muslimische Nationen eingebunden sind, um die religiöse Säuberung in Nahost zu stoppen. Zudem appellierte er an Amerika, den Libanon noch stärker in seinem Kampf gegen den Islamischen Staat und den Einsatz für die syrischen Flüchtlinge zu unterstützen.

Weiter erklärte er, dass ein Arabischer Marshallplan, den Gemayel bereits im letzten Jahr im Gespräch mit Livenet vorgestellt hatte, nötig sei. Anhand dieses Plans sollen die arabischen Länder wiederhergestellt werden. Und die jungen Araber sollen ermutigt werden, Demokratie umzusetzen und zu leben.

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Datum: 06.04.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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