Priester mahnt:

«Bombardiert nicht den IS – er wird sich selbst von innen zerstören»

Ein erfahrener Priester und ökumenischer Leiter aus dem Nahen Osten glaubt nicht daran, dass der Westen versuchen solle, den IS mit Bomben zu besiegen. Er sagt voraus, dass die Organisation sich eher von innen selbst zerstören werde.
Priester Michel Jalakh
IS-Kämpfer

Rev Dr Michel Jalakh (48) aus Beirut ist maronitischer Katholik und der Generalsekretär des Nahöstlichen Kirchenrates. Er setzt sich in der aktuellen Situation dafür ein, dass Christen aus der Region, die arabisch sprechen und seit Jahrhunderten mit Muslimen friedlich zusammenlebten, mehr als Berater genutzt werden sollten. «Wir haben von Anfang an mit Muslimen zusammengelebt. ISIS hat daran gar nichts geändert. Wir wissen, dass IS eine Ausnahme ist. Viele Muslime sind gegen diese Bewegung.»

Kreuzzugs-Gefühle vermeiden

In einem Interview mit der Online-Zeitung Christian Today in London hielt Jalakh fest, dass viele Ungerechtigkeiten in der arabischen Welt den Radikalismus förderten. Es gebe auf der anderen Seite viele Formen des Islam, und es sei nicht richtig, den ganzen Islam vom ISIS her zu beurteilen. «Wir als Christen im Nahen Osten sind im Dialog mit dem Islam», so Jalakh. «Wir möchten Muslimen helfen, selbst gegen solche Bewegungen aufzustehen. Wenn eine westliche Koalition aber den ISIS bombardiert, werden sie es wieder als Kreuzzug empfinden, als West gegen Ost oder Weiss gegen Farbig. Wir müssen alles tun, um diese Vorurteile zu vermeiden. Die sind gut für Filme, aber nicht für die Wirklichkeit.»

Von innen bekämpfen

Der IS stelle ernsthafte Fragen an die islamische Religion, und Muslime müssten ihn von innen bekämpfen lernen. «Wir leben in einer bedeutsamen Zeit. Ich denke, dass dieses lächerliche Ding früher oder später von innen zusammenbrechen wird. Wir sehen heute bereits, dass sie sozial eine Menge Probleme haben. Ich bin sicher, dass IS früher oder später verschwinden wird.»
Auch der jordanische König Abdullah sagte bei einem Gespräch mit Präsident Obama diese Woche, dass der Kampf gegen die Terrororganisation IS ein Auftrag an die muslimische Welt sei. Es handele sich um einen innerislamischen «Krieg der dritten Welt», so König Abdullah. 

Christliche Präsenz ist jetzt lebenswichtig für die Region

Rev. Dr. Jalakh hält fest: «Ich bin ein Priester, ich glaube an Gott und an Jesus Christus. Ich weiss, dass Jesus beschlossen hat, in diesem Land geboren zu werden, und er sagt: 'Ich bin bei euch alle Tage, habt keine Angst.' Es ist nicht das erste Mal, dass Christen hier eine schwere Zeit erleben. Als Christen und Leiter müssen wir unsere Hoffnung auf den Frieden setzen und für Gerechtigkeit für jedermann arbeiten, nicht nur für Christen und Muslime. Ich glaube, dass wir hier eine Zukunft haben.»

«Es ist leicht, jetzt auszuwandern», stellte Rev. Jalakh weiter fest. «Nicht nur Christen, auch Moslems fliehen und wandern aus. Es ist schwer, dass wir so wenige geworden sind. Aber letztlich ist es nicht eine Frage der Zahlen, sondern unserer Präsenz hier. Wir haben die wichtige Aufgabe, hier für Menschlichkeit einzutreten und müssen mithelfen, dass ein neues Denken im Nahen Osten einzieht.»

Der «Middle East Council of Churches» ist eine ökumenische Organisation mit Sitz in Beirut, Libanon. Sie repräsentiert alle christlichen Denominationen im Nahen Osten und in Nordafrika: Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner, Protestanten und Evangelikale. Seine vier Co-Präsidenten sind die Führer der Syrisch-katholischen, der Griechisch-orthodoxen, Armenisch-orthodoxen und der lutherischen Kirche.

Datum: 12.12.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Today

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