Kommentar

Was macht Europa schwach?

In der Altstadt von Bourges im Herzen Frankreichs.
Wir habens gern kuschelig warm: Schaufenster gegen das Frösteln.

2010 könnte sich als Jahr der Wahrheit in Europa erweisen. Im Euroraum haben zu viele Staaten weit über ihre Verhältnisse gelebt. Aus der Schuldenspirale gibt es nun kein Entkommen – und die im Frühjahr zusammengezimmerten Staatsgarantien komplizieren die Sache, weil beim pfleglichen Umgang mit einzelnen schwarzen Schafen die Herde ins Zwielicht rutscht.

Was vor Jahren ein mittleres politisches Erdbeben verursacht hätte, wird heute wenn überhaupt kurz gemeldet: Deutschland muss dem Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate, der im Zug der Finanzkrise verstaatlicht wurde, zusätzliche Garantien von 40 Milliarden Euro (40.000.000.000 Euro) geben (nun insgesamt 142 Milliarden Euro). 


Mit Zentnerkugeln jongliert

Wie der Finanzmarkt-Beobachter der NZZ schreibt, «greifen weiterhin manche Staaten ihren schwächelnden Banken unter die Arme, und die Banken verfügen über anhaltend hohe Bestände von Staatsanleihen mit teilweise zweifelhafter Qualität». Dies unterminiert das Ansehen der Staaten, weil sie unter Schulden ächzen. Einige sind eigentlich bankrott. Überspitzt gesagt, schwächen sich Staaten und Banken gegenseitig; es gibt keinen starken Pol mehr.

Griechenland wurde im Frühjahr vor der Zahlungsunfähigkeit vorerst bewahrt, zu einem hohen Preis: Die Europäische Zentralbank verlor ihre Eigenständigkeit. Der so genannte Stresstest hat seinen Zweck, als Beruhigungspille zu dienen, verfehlt, weil laut der OECD nur ein Bruchteil der möglichen Belastung simuliert wurde. Die Banken, so wurde errechnet, halten nämlich europäische Staatsanleihen von insgesamt 1,9 Billionen, in Zahlen: 1.900.000.000.000 Euro. Was private und Unternehmens-Schuldenmanager nie können, das tun Politiker – und verspielen damit Glaubwürdigkeit. Auch der begnadetste Zirkusartist vermag nicht mit zentnerschweren Kugeln zu jonglieren.

Wohlfahrtsstaaten haben sich übernommen

Was schwächt Europa, den Kontinent, der mit seinen grandiosen Ideen die Welt in die Moderne geführt hat? 1. haben die grossen europäischen Mächte sich in Weltkriegen gegenseitig zerfleischt und dann die zuvor ausgebeuteten Kolonien in Übersee verloren. 2. übernahmen die Staaten soziale Verpflichtungen, die sie aufgrund extrem tiefer Geburtenraten nicht erfüllen können.

3. kostet der von Unternehmern gewünschte Beizug von Hunderttausenden schlecht ausgebildeter und kulturell nicht anpassungswilliger/-fähiger Migranten die Staaten viel mehr, als man in der Multikulti-Euphorie meinte. Das konnte man schon vor Sarrazin wissen. 4. stehen infolge der Globalisierung, bei der die Europäer mitwirkten, die verschiedenen Weltregionen im dauernden wirtschaftlichen Wettbewerb – und Spekulanten rund um den Erdball nutzen Schwächen erbarmungslos aus. Jedes Huhn, das Federn lässt und sich nicht wehren kann, wird weiter gerupft.

Komfort – erst mal für mich

5. lieben Europäer den Komfort. Nach vielen furchtbaren Kriegen, Waffengängen um nationale Ehre, haben sie sich aufs individuelle Wohlleben verlegt. Industrie und Dienstleistungssektor produzieren vermehrt Güter, die wir geniessen, nicht brauchen. Auf die individuelle Freiheit, die sich infolge der Französischen Revolution im Westen als oberster Wert etabliert hat, sind wir stolz – und der Staat  soll sie bitteschön absichern (in Nordamerika tut er das nicht).

Kurz: Die Lust am guten Leben ist an die Stelle des Willens getreten, sich für das Gemeinwohl und eine höhere Sache einzusetzen. Wer keine Kinder hat, will ihnen auch nichts hinterlassen. Im Überhandnehmen existentialistischer Lebensentwürfe («ich werde, die ich sein will; ich mache aus mir, was ich will») und von Reinkarnationsillusionen («im nächsten Leben mache ich es besser») zeigt sich die Entchristlichung des Kontinents. Verflüchtigt sich mit der Verantwortung vor dem Schöpfer auch die Verantwortung für kommende Generationen? Die Überschuldung steht im Zusammenhang mit der Weigerung existenzialistisch gesinnter Menschen, jemand ausser sich selbst Rechenschaft zu geben.

Als wäre Dienen eine Idee von gestern

Europa war in dem Masse christliches Abendland, als die biblischen Gebote Gottes die Menschen bestimmten und seine Geschichte mit ihnen sie bewegte. Heute trauen sich manche Kirchen nicht mehr, die Geschichte zu vermitteln und die Gebote zu lehren.

Jesus sagte, er sei gekommen, «nicht um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele» (Die Bibel, Matthäus, Kapitel 20, Vers 28). Europa ist schwach, weil mit dem Verblassen des Vorbilds von Jesus auch die Bereitschaft zu dienen abnimmt, mit Kostenfolgen für alle Bereiche des Lebens. Statt Pflichten wahrzunehmen, formulieren wir Ansprüche und verzehren uns in Kämpfen, um sie durchzusetzen.

Jesus Christus hat Freiheit als freiwilligen Einsatz für andere gelebt und gelehrt – und als der von Gott gesandte Retter Schuld getilgt. So wie sie sich bisher angestellt haben, taugen Banker und Ökonomen und Politiker als Retter nicht (wenn man bloss die finanziellen Schulden betrachtet). Aber wenn sie – und die Kirchen – die christlichen Grundlagen Europas nicht wieder zur Geltung bringen, droht mit der Schuldenspirale ein Absturz.

Datum: 14.09.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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