Nach Dollys Tod Diskussion über Gefahren des Klonens

Schaf Dolly

London. Nach dem vorzeitigen Tod des Klonschafs Dolly haben Wissenschaftler Zweifel an der Technik des Klonens geäussert. Der schottische Wissenschaftler Ian Wilmut, der das Tier 1996 geklont hatte, erklärte laut britischen Radioberichten, die Krankheit des Tieres sei möglicherweise durch bei dieser Technik entstandene Gendefekte ausgelöst worden.

Im Vergleich zu anderen Schafen habe Dolly die Lungenkrankheit wahrscheinlich etwas früh bekommen, so Wilmut. Er warnte aber vor voreiligen Schlüssen, da die meisten Schafe bereits geschlachtet würden, ehe sie Dollys Alter erreichten. Schafe können rund zwölf Jahre alt werden.

Dolly war der erste Klon eines erwachsenen Säugetiers. Bereits vor einigen Jahren hatten Wissenschaftler bei dem Tier Arthritis festgestellt. Am Wochende wurde das berühmteste Schaf der Welt im Alter von sechs Jahren eingeschläfert. Wissenschaftler des Roslin Instituts in Schottland sagten dem Nachrichtensender BBC, nach einer Obduktion solle das Tier möglicherweise im schottischen Nationalmuseum in Edinburgh ausgestellt werden.

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Therapeutisches Klonen bei der Royal Society, Richard Gardner, sagte der BBC, zunächst müsse die Obduktion des Tiers abgewartet werden. Mögliche genetische Ursachen wären ein weiterer Hinweis darauf, dass reproduktives Klonen erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben könne.

In den zurückliegenden Jahren hatten Wissenschaftler in Tierversuchen immer wieder festgestellt, dass geklonte Tiere überdurchschnittlich häufig schwere Behinderungen hatten. Baroness Greenfield, Direktorin der Forschungseinrichtung Royal Institution, warnte allerdings vor voreiligen Schlüssen. Es müssten auch andere Faktoren für die Krankheit in Betracht gezogen werden.

Ein ethisch bedenkliches Unterfangen gewinnt an Sympathie

Der Philosoph Anthony Grayling schrieb in der britischen Tageszeitung “Independent”: “Das therapeutische Klonen bietet eine mächtige neue Waffe im Kampf gegen menschliches Leiden und verspricht wirksame Behandlungen bei gegenwärtig unheilbaren und oft verheerenden Krankheiten.” Der Lehrer an der Londoner Universität führte das Argument an, dass die Zellen, die durch diese Art von Klonen erzeugt würden, danach dazu benutzt werden könnten, Behandlungen bei Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zu ermöglichen.

Die dieser Argumentation zu Grunde liegende ethische Einstellung -- dass der Zweck (dem Kranken zu helfen) das Mittel (das Klonen) rechtfertigt -- trat noch ausdrücklicher in einem Artikel in der “New Yorker Times” zu Tage. Gregory Kaebnick, ein Forschungsmitarbeiter am “Hastings Center”, einem Forschungsinstitut für Bioethik, gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass es, wenn die Öffentlichkeit nicht zwischen den beiden Arten des Klonens unterscheide, zu einem Widerstand gegen jedwedes Klonen kommen würde.

Sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen “wendet in bestimmten Etappen die selben Laborverfahren an”, gab Kaebnick zu. Aber, argumentierte er, “sie folgen unterschiedlichen Wegen und haben unterschiedliche Ergebnisse.” Seine Schlussfolgerung: “In diesem Falle kommt es auf die Ergebnisse, nicht auf Laborverfahren an.”

Schönes neues Denken

Eine andere Kategorie von Argumenten legt das Gewicht auf die Verteidigung des Klonens als Teil des wissenschaftlichen Fortschritts. Der Widerstand gegen das Klonen wird demgemäss als wissenschaftsfeindlich und sogar als unverantwortlich betrachtet, besonders dann, wenn er religiöser Natur ist. Dies wurde von Colin Honey, Dozent für angewandte Ethik am Von-Hugel-Institut der Universität Cambridge und Geistlicher der Uniting-Church von Australien, auf den Seiten der Melbourner Zeitung “Age” erklärt.

“Wann auch immer sich eine neue Möglichkeit zeigt, neigen wir dazu, sie zu bekämpfen”, bemerkte Honey. Genau so wie die in-vitro-Fertilisation (IVF)vor ein paar Jahren bekämpft worden sei, argumentierte er, so werde jetzt das Klonen als negativ betrachtet. Aber jetzt sei IVF weithin akzeptiert. “Was zunächst unvorstellbar zu sein scheint, könnte sich als ein Segen für einige oder eine Möglichkeit für viele erweisen”, so Honey. Dasselbe könnte mit dem reproduktiven Klonen geschehen, schloss er.

Der Kolumnist der “Washington Post” Richard Cohen scheint bereits an das Klonen zu glauben. In einem Artikel verwarf er die Argumente des “ganzen Vereins von Politikern, religiösen Führern und konservativen Intellektuellen, die, wenn sie könnten, dem Klonen den Hahn abdrehen und es ganz unterbinden würden.”

Cohen erklärte, die Kritiker des Klonens behaupteten, es sei ethisch nicht verantwortbar, dies sei jedoch eine “reine Behauptung und niemals zu beweisen.” Was jetzt, so Cohen, benötigt werde, sei “ein mutiges neues Denken.” Er fügte hinzu: “Begriffe wie 'ethisch' oder ‚menschliche Würde' vernebeln nur die Debatte.”

Das therapeutische Klonen sei sehr viel versprechend, und auch das reproduktive Klonen könnte seine Verwendung finden, meinte Cohen. “Wir dürfen es nicht zulassen, dass unser Widerstreben um eines sonderbaren Kultes willen oder unsere Furcht vor dem Neuen und Anderen dazu führt, dass wir vor einem Wissen davonlaufen, von dem nahezu mit Sicherheit gesagt werden kann, dass es irgendwie angewendet werden kann und -- möglicherweise -- Leben retten oder bereichern könnte. Ein solcher Rückzug wäre in der Tat ethisch nicht zu verantworten.”

Unredliche Unterscheidung

Wie berechtigt und stichhaltig ist überhaupt die Unterscheidung zwischen reproduktivem und therapeutischem Klonen? David Prentice, Professor für Lebenswissenschaften an der staatlichen Universität von Indiana, stellt diese Frage in einem Artikel auf der Web site des Family Research Council (Familienforschungsrates), mit dem Titel “Unter dem Mikroskop: Das Klonen wissenschaftlich betrachtet.”

Er bemerkt darin: “Jedes menschliche Klonen ist reproduktiv, indem es einen neuen sich entwickelnden Menschen schafft, -- reproduziert -- , von dem gewünscht wird, dass er praktisch identisch mit der geklonten Person ist. Es sind die selben Verfahren, die angewendet werden, und die geklonten Embryonen sind die gleichen, was auch immer ihr Schicksal ist. Daher sei es unredlich, die einen geklonten Embryo als etwas anderes bezeichnen als einen Embryo, macht Prentice geltend.

Er erhebt auch Einspruch gegen die Verwendung des Begriffes therapeutisch. “In der medizinischen Ethik wird 'therapeutische Forschung' definiert als Forschung, die therapeutischen Nutzen für die Person, die Forschungsrisiken ausgesetzt ist, bieten kann”, erklärt Prentice. Beim “therapeutischen Klonen” jedoch wird das neue Menschenleben “eigens geschaffen, um zerstört zu werden und danach als Quelle für Zellgewebe zu dienen.” Welcher Verwendung das Verfahren auch zugedacht sein möge, es ist sicherlich nicht therapeutisch für den Embryo, sagt Prentice.

Hohe Missbildungsrate

Andere Einwände gegen das Klonen beziehen sich auf die Gefahr von Missbildungen bei den neuen Individuen, und auf die riesige Verschwendung von (Menschen)leben bei der Schaffung einer Vielzahl von Embryonen. David Stevens, Vorstandsmitglied der 17.000 Mitglieder zählenden ‚Christian Medical Association‘ (des Verbands christlicher Ärzte), hob in einer Pressemitteilung hervor: “Angesichts der hohen Todes- und Missbildungsrate beim Klonen von Tieren, von der anzunehmen ist, dass sie ebenso für das Klonen von Menschen gilt, zeigt auch schon der Versuch, Menschen zu klonen, eine entsetzliche Missachtung des Wertes des menschlichen Lebens.”

Zweck und Mittel

Und wie steht es mit der Rechtfertigung des Klonens um des Nutzens willen, den es den Kranken bringt? Der Papst hat diese Frage in seiner Enzyklika “Veritatis splendor” untersucht. Er weist warnend darauf hin, dass es ein Fehler ist, die moralische Qualität einer Handlung zu beurteilen, indem man sich lediglich auf das Resultat konzentriert, indem man nur versucht, das “grössere Gut” oder das “geringere Übel” in einer besonderen Situation zu erreichen (“die Güter zu maximieren” und “die Übel zu minimieren”). Das Gebot, 'Du sollst nicht töten” hat absoluten Wert, wenn es sich auf den unschuldigen Menschen bezieht. Und das umso mehr, wenn es sich um ein schwaches und schutzloses menschliches Lebewesen handelt, das einzig in der absoluten Kraft des Gebotes Gottes seinen radikalen Schutz gegenüber der Willkür und Gewalttätigkeit der anderen findet. Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten Zweck, gestattet werden,” erklärte der Papst. Menschliche Embryonen als biologisches Material zu missbrauchen oder Organe oder Gewebe für die Behandlung bestimmter Krankheiten zu beschaffen, “stellt eine absolut unannehmbare Handlung dar.

Stichwort: Klonschaf Dolly

Das wegen einer Lungenkrankheit eingeschläferte Klonschaf Dolly war das weltweit erste aus einer ausdifferenzierten Zelle geklonte grosse Säugetier. Dolly war 1996 im Roslin Institut in Edinburgh geklont worden. Dabei entnahmen die Gentechniker der aus dem Euter eines erwachsenen Tieres stammenden Zelle den Zellkern mit der Erbinformation und pflanzten diesen in die entkernte Eizelle eines anderen Schafes ein. Das so veränderte Ei wurde einem dritten Schaf eingepflanzt, das es als Leihmutter austrug und schliesslich Dolly zur Welt brachte.

Schon in den vergangenen Jahren hatten weitere Klon-Experimente gezeigt, dass viele der betroffenen Tiere schwer behindert zur Welt kommen oder früh an Krankheiten sterben. Auch bei Dolly war bereits Arthritis diagnostiziert worden. Kritiker des Klonens am Menschen hatten deshalb neben ethischen Argumenten auch immer auf die grossen medizinischen Probleme verwiesen und eine Übertragung der Forschungen auf Menschen als unverantwortlich bezeichnet.

Das griechische Wort "Klon" heisst "Schössling" oder "Sprössling". Klonen bedeutet die ungeschlechtliche Vermehrung von Lebewesen durch Zellteilung. Dieses Vorgehen der Natur ist bei einzelligen Organismen und Pflanzen weit verbreitet und kommt auch bei Tieren vor. Auch beim Menschen passiert auf natürlichem Weg immer wieder, was für Wissenschaftler bislang ein Tabu war: Denn eineiige Zwillinge, von denen es nach Schätzungen an die hundert Millionen auf der Erde gibt, sind genetisch identisch und damit nichts anderes als geklonte Wesen.

Das künstliche Klonen von Menschen allerdings ist in den meisten Staaten der Erde verboten, weil es nach geltender Auffassung der Würde und der Einmaligkeit der menschlichen Person widerspricht und einen Einstieg in die Menschenzüchtung bedeuten könnte. 1997 hat der schottische Forscher Ian Wilmut allerdings mit der Geburt des Klonschafs Dolly bewiesen, dass das Klonen von Menschen technisch möglich sein könnte. Er löste damit eine neue Debatte über die Gentechnik und die Biomedizin aus. Wilmut hatte Dolly durch Verschmelzung einer entkernten weiblichen Eizelle mit einer ausgewachsenen Körperzelle geklont.

In der gegenwärtigen Diskussion über das Klonen wird immer wieder zwischen dem therapeutischen und dem reproduktiven Klonen von Menschen unterschieden. Reproduktives Klonen hat die Geburt eines Menschen zum Ziel. Dagegen bedeutet therapeutisches Klonen die Herstellung eines gen-gleichen Embryos zu Therapiezwecken. Aus dem geklonten Embryo sollen Stammzellen entnommen werden, aus denen wiederum menschliche Organe und Gewebe gezüchtet werden. Der Embryo wird dabei vernichtet.

Quellen: KIPA/ZENIT/Livenet

Datum: 18.02.2003

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