Die heutige Beziehung zwischen Christentum und Technik

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Heute prägt zunehmend die Technik unser gesellschaftliches Leben; die globalisierte Wirtschaft bringt sie in alle Winkel der Welt. Diese Ausbreitung der Technik über die ganze Welt ging vom christlichen Europa aus, obwohl in China die technische und naturwissenschaftliche Entwicklung früher eingesetzt hatte.

Der Grund liegt darin, dass das Christentum in seiner 2000-jährigen Geschichte bis vor rund 150 Jahren ein zwar wechselvolles, aber positives Verhältnis zur Technik hatte. Zwar gab es auch immer warnende Stimmen vor einem Übermass an Technik, aber diese standen im Dienste der Technik-Anwendungen und wollten sie nicht verhindern. Dieses Verhältnis ist eng mit dem Verständnis der Natur, der Gesellschaftsstruktur der jeweiligen Zeit und später mit der Weltsicht durch den Fortschritt der Naturwissenschaften sowie mit dem Faktor Arbeit verbunden.

Die Technik verleugnet ihre Wurzeln

Im "Zeitalter der Aufklärung" wurde das Christentum in die unbedeutende mythische Ecke gedrängt. Das wurde auch an der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover deutlich. Im meistbesuchten Pavillon "Planet of Vision" wurde vor der Vision des 21. Jahrhunderts ein Rückblick auf das letzte Jahrtausend gegeben. Dieser Rückblick beginnt mit dem Eintritt durch das fünf Meter hohe Tor des Ottonischen Doms zu Hildesheim, das für die Expo fotografisch nachgebildet wurde. Der Dom stammt aus dem Jahr 1000 und gehört zum Weltkulturerbe, wie es die Unesco ausgewiesen hat. Der Bischof-Ingenieur-Künstler Bernward hatte einst den Bau dieser Abteikirche geleitet. Er liess die mit reicher filigraner Plastik geschmückten grossen Türen aus je einem (!) Bronzeguss in seiner Werkstätte herstellen. Das galt damals als technische Meisterleistung! Gleichzeitig war Bischof Bernward ein angesehener Silberschmied, Maler und Schriftsteller.

Durch dieses Tor betrat man im Pavillon das "Paradies". Es wurde als ersehnte unberührte Natur gedeutet, der nachfolgend zu durchschreitende Turm zu Babel als des Menschen vergebliches Streben nach Vollkommenheit und die Apokalypse als riesiges mythologisches Panorama mit erschreckenden technisch-utopischen Gebilden. Auf den ursprünglichen biblischen Sinn des Schöpfungsberichts im Alten Testament wie auch der Johannes-Offenbarung im Neuen Testament wiesen diese Darstellungen nicht hin, und im ausführlichen Katalog der EXPO 2000 fehlt das christliche Meisterwerk von Bernward sogar gänzlich. In der Rückschau auf die letzten 1000 Jahre war dem verantwortlichen künstlerischen Gestalter die biblische Genesis nicht mehr als ein mythologisches Gerüst aus vergangenen Zeiten. Damit charakterisierte er die heute gängige Einstellung zur christlichen Überlieferung sehr treffend.

Die Schöpfung nur bewahren - und nicht auch gestalten?

Diese Säkularisierung von Technik und Naturwissenschaft ist die eine Seite der modernen Wissenschaftsgeschichte; mit ihr korrespondiert eine andere Seite, nämlich die deutliche Unsicherheit der Kirche hinsichtlich ihrer Weltverantwortung. Sie nimmt sie fast nur noch auf dem sozialen Gebiet wahr. Im Bereich der Technik gehört die Kirche heute mehr zu den bremsenden als zu den fördernden Kräften der Technik. Bezeichnend ist, dass das Expo-Programm der christlichen Kirchen mit dem Motto "Mensch-Natur-Technik" einfach den Teilbereich "Technik" ignorierte. Und ähnlich einseitig ist die Forderung der "Bewahrung der Schöpfung" im Sinne des Umweltschutzes und ökologischen Wirtschaftens. Die Kirche versteht die Natur als Ergebnis eines in Vorzeiten abgeschlossenen Schöpfungsaktes Gottes und verkennt, dass die Natur selbst Geschichte hat. So wird die Technik stärker als zerstörerisches Instrument denn als Mittel zur Bewahrung der Natur angesehen.

In der Bibel finden wir den Auftrag an den Menschen, an Gottes Schöpfung fortwährend gestalterisch mitzuarbeiten (1. Mose 2,15). Das wird zumeist auf konservierende Bewahrung reduziert. Dabei erfolgt aber die beste Bewahrung der Natur durch schöpferische Gestaltung. Gerade heute, nach weitgehender Befriedigung der materiellen Bedürfnisse in der Industriegesellschaft, ist neu schöpferisch zu fragen, welche sinnvollen Produkte und Dienstleistungen erzeugt bzw. erbracht werden sollen.

Moderne Kirche mit der Geisteshaltung der Antike?

Wenn man die politischen Diskussionen über moderne Technik, wie Kerntechnik, Gentechnik und Datenschutz der Informationstechnik, verfolgt, hat man den Eindruck, dass man zurückgefallen ist in die Geisteshaltung der Antike.
· Damals war es die Natur, heute ist es allzu rasch die Technik, die dämonisiert oder wieder geringgeschätzt wird.
· Auch Handarbeit wird wieder verachtet. Man überlässt sie vordringlich Ausländern.
· Die modernen Sklaven, wie in der Antike jederzeit verfügbares rechtloses Werkzeug, sind die intelligenten Maschinen und Roboter.
· Viele stellen das Leistungsprinzip in Frage.
· Auch der Pantheismus und das Schamanentum sind zurückgekehrt im Gewande der Esoterik und des New Age.
Die klärende und gestaltende Kraft des christlichen Glaubens und seiner Weltsicht scheinen abhanden gekommen zu sein.

Datum: 15.07.2002
Autor: Prof. Heiz Trauboth
Quelle: factum Magazin

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