Der Skandal um sexuellen Missbrauch durch römisch-katholische Priester in den USA ist möglicherweise noch umfassender als ursprünglich angenommen. Nach einer veröffentlichten Umfrage der „Washington Post“ hat die Kirche wegen Vorwürfen der sexuellen Kinderbelästigung allein in diesem Jahr 218 Geistliche von ihren Posten entfernt. Mindestens 850 Priester seien seit den frühen 60-er Jahren des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt worden. Über 350 habe die Kirche bereits vor dem Jahr 2002 entlassen. Laut „Washington Post“ sind diese Zahlen „beträchtlich“ höher als bisher bekannt und spiegelten das volle Ausmass des Skandals wider, der die katholische Kirche erschüttert. Die Zeitung kontaktierte nach eigenen Angaben alle katholischen Diözesen in den USA. 96 davon antworteten, 82 nicht. In den letzteren Fällen stützt die „Washington Post“ ihre Erkenntnisse auf andere Zeitungen, kirchliche Publikationen und Webseiten der Diözesen. In den USA sind seit Januar mindestens 300 Zivilklagen gegen Geistliche wegen sexuellen Missbrauchs anhängig. Für einen so kurzen Zeitraum sei die Zahl von 300 Klagen wirklich dramatisch, meinten Anwälte. Nach ihren Angaben gibt es mehrere hundert weitere Fälle, die unter der Hand zwischen der Kirche und den Opfern geregelt werden. Toleranz gegenüber Priestern, die Minderjährige sexuell missbrauchen, sich später aber jahrelang untadelig verhalten hätten, hat Chicagos Kardinal Francis George gefordert. In bestimmten Situationen könne es für derartige Geistliche "eine eingeschränkte Möglichkeit zu administrativer Arbeit innerhalb der Kirche geben", sagte der Kardinal bei einer Pressekonferenz in Chicago. Auch die Reue gehöre zum christlichen Glauben, unterstrich George. Allerdings stehe das Wohl von Kindern vor allem anderen. Seit die Tageszeitung "Boston Globe" Anfang Januar über die ersten Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Priester berichtet hatte, setzte eine Welle von Enthüllungen in der gesamten US-Kirche ein. Drei Bischöfe sind inzwischen zurückgetreten, ein vierter lässt sein Amt derzeit ruhen. Im Mittelpunkt der Kritik steht Bostons Kardinal Bernard Law, der unlängst als erster Kardinal der US-Geschichte vor Gericht unter Eid als Zeuge in Missbrauchsfällen aussagen musste. Bereits in der Vergangenheit wurden nach Medieninformationen rund zwei Milliarden Euro an Entschädigungen gezahlt. Die derzeit hängigen Forderungen würden die katholische Kirche der USA in den Bankrott treiben. Quelle: ORF und KipaZahlen „beträchtlich höher“ als bisher bekannt
Mehr als 300 Klagen in fünf Monaten
US-Kardinal für Toleranz bei Altfällen
Datum: 13.06.2002