Zum 90. Geburtstag

Pfarrer Sieber: Vom Bauern zum Knecht Gottes

Pfarrer Sieber feiert am 24. Februar seinen 90. Geburtstag. Die Predigt zum Geburtstag will Pfarrer Sieber selber halten. Das Thema hat er bereits verraten: Es geht um die Liebe, die durch Jesus Christus unter den Menschen spürbar werden soll.
Pfarrer Sieber

Liebevoll blickt Ernst Sieber sein «Schätzeli» an. Sonja Sieber war immer sein Rückzugsort, gab ihm den inneren Halt, der ihn zum Handeln befähigte. Seit 60 Jahren sind die beiden verheiratet. «Ohne sie und die Gemeinde hätte ich die 30 Einrichtungen nie gründen können», sagt Ernst Sieber wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag am 24. Februar. Wenn er unterwegs gewesen sei, um für seine «Brüder und Schwestern» einzufordern, was sie selber nicht vermochten, habe Sonja ihn immer unterstützt. Egal, ob es um den Pfuusbus für Obdachlose gegangen sei oder den Sune-Egge für Aids-Kranke, der sich zu einem einzigartigen Spital für Kranke aus Randgruppen entwickelt hat.

Handwerker Gottes

Zusammen mit Ernst hat Sonja Sieber vier eigene Kinder und vier Pflegekinder grossgezogen. Heute sind die beiden Grosseltern von 13 Enkeln. «Sie hätte als Sängerin Weltkarriere machen können, aber sie ist bei mir geblieben», meint Ernst. Sonja habe die Kunst in sein Leben und die Familie gebracht. Unzählige Male hat er seine Frau gemalt. Er selber bezeichnet sich nicht als Künstler, obwohl seine Häuser in Uitikon und auf dem Ybrig voll sind mit von ihm gestalteten Bildern und Skulpturen. Manche machen seinen Glauben sichtbar. «Ich bin nur ein Handwerker Gottes», betont er. Immer wieder habe Gott Türen für ihn geöffnet, ihm Aktionen gelingen lassen, die anfangs nicht ganz legal gewesen seien. Aber es sei wichtig, als Nachfolger Jesu zu leben, in jedem Menschen sein Ebenbild zu sehen. «Dann ist man auf Augenhöhe und beide haben einander etwas zu geben!»

«Ohne Christus komme ich nicht»

«Ich möchte, dass die ganze Familie im Grossmünster am Geburtstagsfest dabei ist», erklärt der Jubilar, «und Christus muss auch dort sein, sonst komme ich nicht!» Damit meint Ernst Sieber eine über zwei Meter hohe Statue aus Lehm, die er geformt hat. Er will die Predigt selbst halten; sie wird christozentrisch sein. «Wir müssen uns im Alltag dem Du verpflichten», führt er aus. «Gemeinschaft ist ein Depressionskiller.» Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass in Gemeinschaft Endorphine ausgeschüttet werden: «Menschen werden heil, erleben Transzendenz, weil Christus da ist.» Seine Mitarbeiter und seine Familie hätten das miterlebt.

Schon jetzt handeln wie Jesus

«Unsere Kinder haben immer mit anderen geteilt, den Platz am Tisch, das Essen, das darauf stand.» Der Nächste, sein Mitmensch, hat bei Ernst Sieber immer einen Platz. Sein Ergehen dereinst im Jenseits kümmert ihn wenig. Denn das beginne schon hier. «Jetzt schon sollen wir handeln wie Jesus.» Das Telefon klingelt, er nimmt ab und hört zu. Dann sagt er: «Doch, beten kann ich immer!» Und dann spricht er mit seinem Gesprächspartner das Vaterunser. Ernst Sieber ist und bleibt Seelsorger und Prediger, auch im bald 91. Lebensjahr.

Ernst Sieber, geboren am 24. Februar 1927 in Horgen, begann seine berufliche Laufbahn als Bauernknecht im Welschland und absolvierte die Landwirtschaftliche Schule Strickhof, welche er 1947 erfolgreich abschloss. 1950 erlangte er auf dem zweiten Bildungsweg die Matura. Er studierte Theologie und wurde 1956 ordiniert. Schon als Vikar, Gemeinde- und Anstaltspfarrer setzte sich der heute weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Pfarrer unermüdlich für die Menschen am Rande der Gesellschaft ein. Nach seiner Amtszeit von 1956 bis 1967 in Uitikon-Waldegg wurde er 1967 Pfarrer in Zürich-Altstetten, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1992 tätig war. 1987 verlieh ihm die Universität die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät. In den Jahren 1988 bis 1992 war er Dekan der Stadt Zürich, links der Limmat, von 1991 bis 1995 Nationalrat. Seit 1948 pflegt Ernst Sieber den Kontakt zu Obdachlosen. Im Seegfrörni-Winter 1963 entstand die erste Obdachlosengemeinschaft im Bunker am Zürcher Helvetiaplatz. Dort wurde der Grundstein gelegt für alle weiteren Dorfgemeinschaften, die im Laufe der Jahrzehnte noch folgen sollten. Bis zum heutigen Tag initiierte er zahlreiche Einrichtungen in den Bereichen Seelsorge, Drogen- und Obdachlosenarbeit, Sozialmedizin, Entzug und Therapie. All diesen Einrichtungen liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Betroffenen als Partner in die Arbeit miteinbezogen werden müssen. Oder, wie Pfarrer Sieber dies formuliert: «Wir müssen den von uns betreuten Menschen, diesen in ihrem tiefsten Innern Getroffenen und Betroffenen zeigen, dass wir an sie glauben. Nicht mit leeren Worten, sondern mit Taten, mit gelebter Liebe. Geben kann diese Liebe nur, wer selbst einen Sinn im Leben sieht und aus dem Wort Christi Kraft schöpft.»

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Datum: 22.02.2017
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: idea Schweiz

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