Je mehr Kinder, umso eher arm - auch im Kanton Zürich

heat

Zürich - Seit 1991 sind im bevölkerungsreichsten Schweizer Kanton überdurchschnittlich viele Personen in den Bannkreis von Armut geraten, mehr als in anderen Kantonen. Das Statistische Amt hat erhoben, dass 54'000 Personen im Jahr 2001 unterhalb der Armutsgrenze lebten und weitere 163'000 Personen (17% der Bevölkerung) von Armut bedroht waren. Das heisst: Annähernd ein Viertel der Zürcher Bevölkerung ist trotz verschiedenen Sozialleistungen mit Armut konfrontiert.

Als Messlatte für Armut gilt ein von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) festgelegtes Minimum, das nach Bezahlen der fixen Kosten für Steuern, Grundversicherung und das Wohnen noch für alltägliche Ausgaben vorhanden sein soll. Für eine vierköpfige Familie beträgt dieser Bedarf für Nahrungsmittel, Kleider, Körperpflege oder Bildung monatlich 2375 Franken.

Die Hälfte der Befragten, die unterhalb der Armutsgrenze leben, gab an, bei der Anschaffung von langlebigen Konsumgütern massive Abstriche machen zu müssen. 30 Prozent müssen sich beim Kauf von Kleidern, 20 Prozent bei der medizinischen Versorgung und 10 Prozent sogar beim täglichen Einkauf von Lebensmitteln stark einschränken. Noch stärker scheinen Arme im Kanton Zürich aber unter sozialen Entbehrungen zu leiden. 45'000 Personen droht nach eigenem Bekunden eine soziale Isolation aus finanziellen Gründen, weil das Geld für übliche Formen der Freizeitgestaltung nicht reicht.

Laut den Autoren nimmt die Armut mit der Dauer der Beteiligung am Erwerbsleben ab. Zudem sei die Armut bei Rentnern dank gut ausgebauten Sozialversicherungen niedriger als bei Erwerbstätigen. Frauen sind eher arm als Männer, Ausländerinnen und Ausländer eher als Schweizer. Kinder sind nach wie vor ein Armutsrisiko: 45 Prozent der von Armut betroffenen Bevölkerung leben in Paarhaushalten mit Kindern. Dabei steigt das Armutsrisiko mit zunehmender Zahl der Kinder exponentiell.

Es kommt aber vor allem auf Bildung an: Während jede zweite Person, die lediglich die obligatorische Grundausbildung absolviert hat, mit Armut konfrontiert ist, sind nur rund 10 Prozent der Universitätsabgänger von Armut betroffen oder bedroht. Die Autoren begründen diese Tatsache mit der schlechten Bezahlung von unqualifizierter Arbeit. Nicht in erster Linie nichterwerbstätige Personen sind von Armut betroffen, sondern zu zwei Dritteln Haushalte, in denen eine Person - oder sogar mehrere - voll erwerbstätig ist.

Nach dieser Erhebung nähert sich Zürich (5,7 % unter Armutsgrenze) dem schweizerischen Mittelwert (8,2%).

Datum: 13.07.2002
Quelle: NZZ am Sonntag

Werbung
Livenet Service
Werbung