Kanton Zürich macht Kindergärten zu Schulen

Bildungsdirektor Ernst Buschor sieht die neue Grundstufe vorerst nur als ein Projekt

Wenn das Volk im November zustimmt, wird im Kanton Zürich ab 2008 der zweijährige Kindergarten mit der ersten Klasse verschmolzen. Dies hat der Zürcher Kantonsrat am 27. Mai, nach einer intensiven Debatte mit 85 zu 73 Stimmen entschieden.

Die neue Bildungsstufe heisst Grundstufe. Mit ihr soll die Einschulung flexibler gestaltet werden. In der Regel besucht ein Kind die Grundstufe drei Jahre lang, bevor es in die Primarschule übertritt. Neu ist auch, dass die Kinder in der Grundstufe bereits Lesen und Rechnen lernen.

Die Sozialdemokraten (SP), Freisinnigen (FDP) und Christlichdemokraten (CVP) stimmten ebenso geschlossen dafür wie die ablehnende Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Evangelische Volkspartei (EVP) dagegen. Der Namensaufruf förderte nur zwei Enthaltungen bei CVP und EVP zutage. Die Würfel bezüglich des Kindergartens sind damit gefallen.

Für die Gegnerinnen und Gegner der Grundstufe aus SVP, EVP und Grüner Partei bedroht diese die Geborgenheit der Kinder in einem Alter, in dem das grossen Schaden anrichten würde. Sie forderten "zwei unbeschwerte Jahre ohne Leistungsdruck". Auf der anderen Seite wurden die Vorzüge der Grundstufe in den höchsten Tönen gelobt. Diese berücksichtige die Tatsache, dass bei Kindern nicht zwischen Spielen und Lernen unterschieden werden kann. Das Tempo der Entwicklung in den Jahren um den heutigen Schuleintritt sei denkbar verschieden von Kind zu Kind, weshalb der heute zu leistende Sprung über die Systemgrenze vom Kindergarten in die erste Klasse zu vermeiden sei.

Was im Kindergarten noch "verboten", das Lesen und Rechnen, ist vom einen Tag auf den anderen dann plötzlich offizieller Lehrplan. Ein beachtlicher Teil der Kinder erfährt deshalb entweder eine vorzeitige Einschulung oder eine Rückstellung oder mindestens Abklärungen; im System führt zu Korrekturen, was in der Entwicklung eines Kindes ein Normalfall ist. Soll die Schule dem Kind oder muss das Kind der Schule angepasst werden? fragt deshalb die NZZ. In der NZZ gibt es die dreijährige Grundstufe, wie sie Zürich jetzt einführen will, noch nirgends.

Andererseits sei laut Bildungsdirektor Ernst Buschor die Grundstufe vorerst auch nur ein Projekt. In Zürich schon an einem einzigen Beispiel im Test, wird der Grundstufen-Artikel im neuen Volksschulgesetz zunächst dazu dienen, das neue Modell überhaupt erst auszuprobieren.

Datum: 20.06.2002
Autor: Fritz Imhof
Quelle: SSF

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