Merkwürdige Zurückhaltung gegenüber Symbolgestalt der Freiheitsgeschichte

Neuenburg. Zur Erinnerung an den am 14. Mai 1941 in Berlin-Plötzensee hingerichteten Schweizer Hitler-Attentäter Maurice Bavaud hat in Neuenburg eine Gedenkveranstaltung stattgefunden. Der Neuenburger Theologiestudent hatte 1938 erfolglos versucht, auf Hitler zu schiessen und wurde in Nazi-Deutschland zum Tod verurteilt. Den Vorschlag von Bavauds Vater, Maurice gegen einen inhaftierten Spion auszutauschen, lehnte die Schweiz ab. Später wurde auch bekannt, dass die Schweizer Behörden auf deutsches Ersuchen hin gegen Bavaud ermittelt hatten.

Er wünsche der Schweiz sehr, sie würde Maurice Bavaud als "Symbolgestalt helvetischer Freiheitsgeschichte der jüngeren Vergangenheit erkennen, öffentlich anerkennen und ihre Wirkungsgeschichte in die Zukunft eines gemeinsamen Europas einbringen", sagte der deutsche Sozialethiker Stephan H. Pfürtner. Der 80-Jährige, vom "Comité Maurice Bavaud" als Zeitzeuge eingeladen, war selber wegen Widerstandes von den Nazis inhaftiert und 1943 Angeklagter bei einem Prozess gewesen, bei dem vom NS-Volksgerichtshof vier Geistliche aus Lübeck zum Tode verurteilt worden waren. - Pfürtner war von 1965 bis 1974 Professor für Moraltheologie an der Universität Freiburg.

Maurice Bavaud sei mit seiner Tat "gegen das Unrecht aufgestanden", das seiner Kirche im nationalsozialistischen Deutschland widerfahren sei, betonte Pfürtner weiter. Der junge Priesterseminarist habe an den Angriffen des Nazi-Regimes gegen die Orden in Deutschland und gegen das freie Wort gelitten. Er sei überzeugt gewesen, durch die Ermordung Hitlers "der Menschheit und der ganzen Christenheit einen Dienst zu tun". Es sei bedauerlich, dass die kirchlichen Behörden seiner Schweizer Heimat diesen Zusammenhang bisher noch nicht deutlich erfasst und gewürdigt hätten, sondern sich im Gegenteil "merkwürdig" zurückhielten, kritisierte Pfürtner.

Datum: 17.05.2002
Quelle: Kipa

Werbung
Livenet Service
Werbung