In der Schweiz sterben mehr Menschen durch Selbstmord als im Strassenverkehr

suizid

Eine im Rahmen des ersten nationalen Suizidkongresses in Bern lanciertePetition verlangt jetzt Abhilfe und vernetztes Denken. In Politik, Bildung und Forschung sollen Massnahmen gegen den Suizid getroffen werden. An dem Kongress nahmen rund 600 Fachpersonen teil.

Zwar haben auch die Kirchen ihren Anteil an der Tabuisierung des Suizids, so war beispielsweise «Selbstmördern» eine kirchliche Bestattung lange verwehrt. Aber nun ist es der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) der mit seinem Institut für Sozialethik ISE und seiner Diakoniekonferenz unter der Mitwirkung der Caritas Schweiz diesen ersten interdisziplinären Suizidkongress der Schweiz durchgeführt hat.

Wie der internationale Vergleich zeigt, gehört die Schweiz in der Suizidstatistik zur Spitzengruppe. Pro Tag nehmen sich durchschnittlich vier Menschen das Leben - es bestehe also dringender Handlungsbedarf, wurde am Kongress betont.

Die Kirchen haben jetzt reagiert. Das Zusammenrufen der Spezialisten verschiedenster Disziplinen ermöglichte eine Auslegeordnung der bestehenden Bemühungen. Darüber hinaus kommen aus der Mitte des Kongresses aber klare Forderungen.

Mit einer Petition an die Eidgenössischen Räte und den Bundesrat machen zahlreiche unterzeichnende Fachleute auf eine weitreichende Frage aufmerksam: Was ist mit der Gesellschaft los, dass sie eine so hohe Suizidalität begünstigt? Welches sind die Gründe, dass Menschen in eine derartige Isolation geraten können?

Die Petition fordert die politischen Verantwortlichen auf, ernst zu machen mit der Suizidprävention und in den Bereichen Bildung und Forschung aktiv zu werden. Aus der Sicht der Unterzeichnenden ist es besonders wichtig, dass – wie am Kongress vorgelebt – die Fachkräfte aus allen Gebieten partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Eine am Kongress geäusserte Forderung war, dass die Polizeikräfte im Falle eines Suizids möglichst früh seelsorgerliche Fachkräfte beiziehen, damit die Angehörigen in dieser Krisensituation den nötigen Beistand erhalten. Der Suizidkongress versteht sich als Impulsveranstaltung.

Bereits am 26. Juni dieses Jahres sollen die Erkenntnisse der Tagung an einem Hearing mit den theologischen Fakultäten beider Konfessionen und den zuständigen Professoren ausgewertet werden, um die theologische Ausbildung unter diesem Gesichtspunkt zu überdenken und Weiterbildungsmöglichkeiten ins Auge zu fassen.

Schliesslich soll eine breit abgestützte Institution zur Suizidverhütung und –forschung gegründet werden: eine Gruppe von Fachpersonen hat sich mit diesem Ziel zu einer interdisziplinäre Arbeitsgruppe zusammengeschlossen.

Suizid - vom richtigen Umgang mit einem Tabu

Etwa 1500 Menschen pro Jahr scheiden in der Schweiz freiwillig aus dem Leben - das sind mehr Todesopfer als im Strassenverkehr. Mit dieser Selbstmordrate liegt die Schweiz europaweit an fünfter Stelle. Aber obwohl viele Menschen betroffen sind, ist der Suizid immer noch ein gesellschaftliches Tabu.

Dieses Tabu versucht die Kirche in diesen Tagen zu brechen. Der Schweizerische Evangelische Kichenbund führt zusammen mit dem Hilfswerk Caritas den ersten nationalen und interdisziplinären Kongress zum Thema 'Suizid' durch: In Bern mit dabei ist auch der Pfarrer und Psychologe Reinhard Egg. Er beschäftigt sich derzeit besonders mit der Aufklärung von Schülern.

Wie Jugendliche, die zur grössten Risikogruppe zählen, mit diesem Thema umgehen können, davon berichtet Reinhard Egg im ERF-Interview.

Zum Audio-Beitrag von Radio ERF

Zur Website Suizidkongress

Datum: 08.05.2002
Quelle: ERF Schweiz

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