500 Jahre Reformation

Auch Bern erhält Label «Reformationsstadt Europas»

Seit dem 20. September 2016 darf sich Bern offiziell «Reformationsstadt Europas» nennen. Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät nahm von Gottfried Locher, Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas GEKE, die entsprechende Urkunde entgegen.
Alexander Tschäppät (links) erhält die Urkunde von Gottfried Locher
Andreas Zeller, Alexander Tschäppät und Gottfried Locher (v.l.n.r.)

Bis heute haben rund 70 europäische Städte dieses Label erhalten. Dabei fehlt Bern eine eigentliche reformatorische Gallionsfigur, so wie sie Zürich mit Zwingli und Genf mit Calvin hat. Stadtpräsident Tschäppät folgerte: «Der Held der Reformationsgeschichte in Bern war die Gemeinschaft, das Kollektiv.» So war die Glaubensfrage in Bern ein weitgehend politischer Entscheid und wurde in einer Disputation – einem Streitgespräch – breit diskutiert. «Dieses urbernische Verhalten lässt sich heute immer und immer wieder beobachten», erklärte Tschäppät: «Geht es in Bern ums Eingemachte, dann wollen alle dabei sein, mitreden und mitentscheiden». Dies erscheine auf den ersten Blick weder dynamisch noch attraktiv. Doch die Vorteile solcher Entscheidungen seien «langfristig, aber doch bestechend».

Bern hatte machtpolitische Rolle

Bern kam zudem eine wichtige machtpolitische Rolle zu: «Wäre Bern nicht reformiert geworden, hätten weder die bisher reformiert gewordenen Stände bestehen können, noch hätte sich die Reformation via Waadt und Genf in die Welt hinaus verbreitet», führte Tschäppät weiter aus. Diese wichtige historischer Rolle Berns war ausschlaggebend für die Bewerbung um das Label «Reformationsstadt Europas». Die Stadt Bern unterstützt Aktivitäten zum Reformationsjubiläum zudem mit insgesamt 30'000 Franken.

Die Bedeutung der Reformation

Andreas Zeller, Präsident des Synodalrates der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, ging im Anschluss an die Verleihung des Labels auf die Bedeutung der Reformation ein. Gemäss Zeller ist die zentrale Botschaft der Reformatoren eine Botschaft der Befreiung. Der Mensch ist das Geschöpf eines guten Gottes, welcher sich in seiner freien Gnade dem Menschen zuwendet. Diese Zuwendung Gottes bedarf keiner menschlichen Vorleistung und auch keiner Vermittlung durch eine menschliche Institution. «Die Reformation war für die damalige Zeit und ihre Menschen eine enorme Befreiung von Ängsten rund um Glaube und Kirche.» Durch die Reformation wurde religiöser Glaube zur Angelegenheit des mündigen, selbstverantwortlichen Individuums, so Zeller. Durch die starke Fokussierung auf das Individuum hat die Reformation unter anderem zur Entwicklung individueller Freiheitsreche – wie beispielsweise das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit – beigetragen.

Zeller: «Eine Brücke ins Heute schlagen»

Wie Andreas Zeller ausführte, biete das Reformationsjubiläum somit die Gelegenheit, die vielfältigen Wirkungen der Reformation neu bewusst zu machen. «Entscheidend ist, dass nicht einfach in die Vergangenheit geschaut wird, sondern dass die zentralen Erkenntnisse der Reformation in Erinnerung gerufen werden und ihre Bedeutung für die heutige Zeit diskutiert wird.» Zentrale Begriffe der Reformatoren seien für viele Menschen heute nicht mehr verständlich. «Die Reformierte Kirche steht vor der Aufgabe, zwischen den Aussagen der Reformatoren und unseren heutigen Ansichten eine Brücke zu schlagen», so Zeller.

Das Reformationsjubiläum 2017

Die Berner Reformationsbewegung begann 1523 und fand ihren Höhepunkt 1528 in der Einführung der Reformation durch die Regierung. Das Reformationsjubiläum findet aber schon im Jahr 2017 statt, weil Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geheftet haben soll. «1517 ist als symbolisches Anfangsdatum der gesamten Reformationsbewegung auch für die Schweiz wichtig», erklärte Andreas Zeller. Für das Reformationsjahr 2017 planen die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn zusammen mit verschiedenen Kirchgemeinden und nichtkirchlichen Partnern über 50 Aktivitäten und Projekte, um die kulturellen, sozialen, politischen und kirchlichen Errungenschaften der Reformation allen Interessierten ins Bewusstsein zu rufen. Eines dieser Projekte ist der europäische Stationenweg. Ein Geschichtenmobil fährt ab November 2016 von Reformationsstadt zu Reformationsstadt. Es sammelt lokale Geschichten zur Reformation und lädt dazu ein, Geschichten aus anderen Städten zu entdecken. In Bern steht das Geschichtenmobil am 4. Januar 2017 auf dem Münsterplatz. 

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Datum: 21.09.2016
Quelle: idea Schweiz

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