Streitgespräch

«Ohne Religion hätten wir weniger Probleme»

«Was hat Religion in der Politik zu suchen?
Daniel Beutler-Hohenberger vs. Beda Stadler

» Zu diesem Thema standen der Immunologe Beda Stadler und der Hausarzt Daniel Beutler-Hohenberger Red und Antwort. Stadler setzte auf aggressive Religionskritik, Beutler sprach von persönlichem Glauben. Eingeladen zum Showdown hatte das Kultur-Hotel Belle Epoque in Bern. Das vorletzte Wort gehörte Mani Matter.

Der eine fand Heilung, indem er sich von jeglichem Glauben abwandte. Der andere wurde erweckt, indem er vom Kiffen wegkam und zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus fand. Die Statements von Beda Stadler, Professor, Immunologe und Freidenker, und von Daniel Beutler-Hohenberger, Hausarzt und EDU-Grossrat, ernteten grossen Applaus wie auch heftiges Kopfschütteln. Ein Konsens fand sich nicht; zu gross sind die Unterschiede in Grundhaltung und Denkweise.

Kontroverse An- und Einsichten

Während Beutler-Hohenberger ohne engen Bezug zu Gott aufwuchs, kommt Stadler aus einem streng katholischen Elternhaus: «Sie nannten mich Beda, weil viele Äbte so hiessen.» Ob Darwins Evolutionstheorie «vergass» er die Religion völlig. Anders Beutler: «Die Auferstehung ist zentral. Wäre Jesus nicht auferstanden, wäre seine Bewegung sehr bald versandet.» Auch er erkennt, dass im Lauf der (Kirchen-)Geschichte vieles «verschoben» worden sei. Massgebend sei für ihn das Neue Testament: «Nicht Religion, sondern lebendiger Glaube.»

«Es verjagt mich langsam», reagierte Beda Stadler aufgebracht. «Ein Gott, der mit den Menschen nicht klarkommt und sie deshalb ersäuft … Dann soll ein geklonter Typ für angebliche Sünden sterben. Eine Auferstehung, die erst im Jahr 362 den Texten hinzugefügt wurde … Wie kann ein Normaler mit solch einem Wahnsinn umgehen?» Stadlers «Mitte» sind die humanistischen Werte «als biologisches Programm», losgelöst von der Bergpredigt.

Dachschaden oder Erkenntnisse?

«Das Wissen von heute ist nicht die absolute Wahrheit. Wissenschaftliche Erkenntnisse ändern alle fünf Jahre, die Bibel bleibt», ereiferte sich ein Zuhörer. Beutler definierte den Glauben als etwas Intimes; es gehe darum, Schritte «über den intellektuellen Aspekt hinaus» zu machen. «Alles, was Sie erzählen, ist Stuss, Stuss, Stuss! Ich hätte nie geglaubt, dass so viel Schwachsinn auf einem einzigen Stuhl Platz hat», konterte Stadler. Sein Credo: «Denkst du schon oder glaubst du noch?»

Beutler-Hohenberger versus Stadler: Da war Spannung vorprogrammiert. Auch ein gewisser Unterhaltungseffekt war dem intellektuellen Schlagabtausch eigen. Die beiden Kontrahenten präsentierten zahlreiche Rosinen, die sie von ihrer inneren Überzeugung ableiteten. Während Beutler seine persönlichen Werte und Überzeugungen (auch) aus der Bibel ableitet, sagt Stadler jeglichem Glauben ab. «Mir tut es weh, wenn ich Daniel Beutler höre. Es gab keinen Anfang und es wird kein Ende geben. Ich glaube höchstens, dass morgen wieder irgendein Wetter ist.» Und Stadler teilte – mit träfem Oberwalliser Witz – rücksichtslos aus: «Je grösser der Dachschaden, desto grösser wohl der Blick in den Himmel…»

Glaube und öffentlicher Raum

«Ohne Religion hätten wir weniger Probleme. Papst wie Selbstmordattentäter sind alles die gleichen Spinner», zeigte sich Beda Stadler überzeugt. Glaube gehöre in die Privatsphäre. Für Daniel Beutler-Hohenberger hingegen ist klar: «Jesus kam, um uns mit der 3. Dimension bekannt zu machen. Bekennende Christen haben andere Werte und sind Hoffnungsträger. Darum braucht die Politik mehr davon.»

Während Beda Stadler von Zeit zu Zeit zur E-Zigarette griff, nahm Daniel Beutler-Hohenberger zweimal das Akkordeon zur Hand. Und so gehörte das vorletzte Wort dem unvergesslichen Mani Matter (siehe «ideaSpektrum» 28/13). Beutler intonierte «U me begrifft, dass d Lüt hei gseit, däm Ma däm spinnts» – das Lied von Noah und zwei Handvoll Gerechten, der Sintflut und der rettenden Arche. So gesehen hat Gott das definitiv letzte Wort. Aber das bleibt Glaubenssache. Und dürfte für manche weitere hitzige Diskussion sorgen.

Zur Webseite:
Hotel Belle Epoque

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Datum: 29.12.2015
Autor: Thomas Feuz
Quelle: idea Schweiz

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