Zenit: Hat die Versöhnung zwischen Medien und Kirche einen Preis, was kostet sie denn? Dennoch stehen wir vor einer anderen Herausforderung, meine ich. Da die Medien nun einmal sind wie sie sind, müssen wir uns fragen, was wir tun können, um in den Medien als christlicher Glaube präsent zu sein, wissen wir doch allzu gut, dass die Medienkultur, welche alle Kulturen und Subkulturen der Welt beeinflusst, Images kreiert und zerstört, eine wesentliche Sichtbarkeit aller die ernsthaft in der Gesellschaft aktiv sind schafft. Sie wurde zum Forum aller Diskussionen und jeglichen Ideenaustauschs. Nicht präsent zu sein, heisst von der Landkarte verschwinden, aus der Kultur verschwinden. Das Gesetz des "what you see is what you get" ist in der Medienkultur fundamental. Wie sollen wir aber nun in den Medien präsent sein? Johannes Paul II: öffnet uns eine Tür, wenn er den Medien die Qualität einer neuen Kultur zuerkennt. Das beinhaltet eine Bewegung der Akkulturation und Inkulturation. Das ist ein Missionsprozess, der sich auch den Medien verpflichtet, dem niemand mehr ausweichen kann. Versteht man die Sprache der Kirche? Dieser Vergleich ist sehr lehrreich. Man lernt zum Beispiel zu verstehen, wie man sprachlich auf die Reformation oder den Modernismus reagiert hat, als man besonderes Augenmerk auf apologetische und demonstrative Glaubenserziehung legte und vor allem Begriffe zu erklären versuchte. Gleichzeitig verschwand aber auch die Sprache der Volksfrömmigkeit hinsichtlich des symbolischen und künstlerischen Ausdrucks oder zumindest verlor er für den Normalsterblichen seinen Sinn. Die Massenmedien sind vom Wesen her "populär" und bedürfen daher eine angemessene Ausdrucksweise für den Glaubensinhalt. Theologie und Dogmatik werden da nicht verstanden und man hat auch kein besonderes Augenmerk auf Ritualität. Gefragt sind hier vor allem Zeugnisse, persönliche und kollektive. Woher kommt die Angst der Kirche vor den Medien? 1) Es ist vor allem die "Sittenlosigkeit" der Medien. Wir wissen um die Moralisierung in den letzten drei Jahrhunderten vor allem in Sachen Sexualität. Die Medien haben da eine gewissen Sittenfreiheit verfochten, welche das moralische Niveau bedrohte, und das hat immer zu Angst geführt. 2) Einen weiteren Grund erwähnte ich bereits: die Kirche hat das Recht verloren, das öffentliche Wort zu kommunizieren, während sie zuvor das interpretative Monopol besass, den Weltensinn zu erklären. Nun ist ihre Weltanschauung eine von vielen geworden, wodurch eine gewisse Konkurrenz zu allen möglichen weltanschaulichen Ideologien entstanden ist. 3) der dritte Grund ist etwas schwierig in Worte zu fassen. Erst jetzt wird das überhaupt versucht. Nachdem die Kirche das Monopol über das öffentliche symbolische Wort verloren hat, war sie plötzlich ohne Werkzeuge für die Glaubensverkündigung. Neuer Wein für neue Kulturen. Die besten theologischen Termini der Vergangenheit galten plötzlich nichts mehr oder man hat zu lange gewisse alte Ausdrucksweisen der christlich-humanistischen Kultur verteidigt, die teilweise im Mittelalter entstanden sind. Neue Kulturen stellen jedoch ganz neue Herausforderungen, zumindest dem Westen gegenüber. Den Glauben den jungen Menschen des Westens in Wort und Geste darzustellen, ist eine unglaublich schwere Angelegenheit. Die Grosseltern benutzen Ausdrucksweisen, welche die Enkel bereits verwerfen. Sie haben die sprachlichen Mittel nicht mehr, so dass die Kinder immer mehr zu "Nichtgläubigen" erzogen werden. Das erklärt auch ihre uneingeschränkte Suche nach dem Sinn des Lebens in leiblichen Erfahrungen wie Sexualität, Drogen und starken Eindrücken etc. Mir scheint, in diesem Bereich muss erst alles geschaffen werden, eine neue symbolisch-begriffliche Ausdrucksweise, die Worte liefert, um den Glauben heutzutage mitzuteilen, so dass die Medien diese Kommunikation der Botschaft als etwas ganz besonderes übernehmen könnten. Wird das Verhältnis zwischen Medien und Glaube immer vom Konflikt gekennzeichnet sein? Er zeigt sich viel mehr in einer, ich würde sagen, Angst vor prophetischer Belästigung, was heisst das nun? Die Medien gehen, um mehr Geld zu verdienen, mit Markttechniken vor und passen ihre Produkte ohne mit der Wimper zu zucken der öffentlichen Nachfrage an, ob diese nun bewusst oder unbewusst existiert, wahr oder gestellt ist. Daher sehen sie sich gezwungen, ihrem Publikum nie zu widersprechen, um es und damit den Gewinn nicht zu verlieren. Die Kirche kann sich nicht ohne gravierendes Risiko den Markttechniken verschreib en, da sie vor allem gewisse Prinzipien verficht, aber auch weil der christliche Glaube an und für sich die Pflicht hat, auf inakzeptable Anschauungen hinzuweisen, auch wenn diese weit verbreitet sind. Der zweite Schritt ist, die lebendigen Kräfte ausfindig zu machen, welche dem Leben einen positiven Sinn geben könnten. Der dritte Schritt ist, ausgehend von dem Hinweis auf Missstände und der Aktivierung positiver Kräfte zu einer Umwandlung überzugehen. Die meisten Menschen sind aber nicht bereit, diese Art Botschaft zu akzeptieren (auch die auf den Lorbeeren ihres Glaubens ruhenden Christen) und daher ist es schwierig, hier mit den Medien zu agieren. Wenn das Publikum nämlich nicht einverstanden ist, kündigt es einfach das Abonnement oder schaltet in ein anderes Programm. Eine feststellende Präsenz der Kirche sorgt aber gleichzeitig für Überraschungen und Angst des Durchschnittspublikums, welches dasselbe ist, wie das der Massenmedien. Daher wird das Verhältnis zwischen Medien und Glauben immer irgendwie problematisch bleiben.
Guy Marchessault: Ich würde ganz deutlich sagen jein. Es kostet schon was, wenn man bedenkt, dass die Beziehung zwischen Kirche und Gesellschaft ein Machtverlust über das Recht der Hierarchien bedeutet, dass öffentliche Wort weiterzugeben. Derzeit ist es ein Privileg der Medien, je nach ihren Interessen, die immer mehr auf das Geld ausgerichtet sind, was nicht immer mit dem Interesse der Kirche übereinstimmt. Damit müssen wir zwar nicht einverstanden sein, es ist aber eine Tatsache.
Zuallererst muss man sich mal bemühen, die suggestive und symbolische Sprache zu verstehen, will man die ganze Kultur inkulturieren. Ich rate, sich die bevorzugte Mediensprache erst einmal anzueignen und sie dann mit dem sich durch die Jahrhunderte hindurch wandelnden Sprachgebrauch der Kirche zu vergleichen.
Die Kirche hatte vor den Medien Angst und einige Kirchenvertreter haben das immer noch und zwar aus dreierlei Gründen:
Die Beziehung zwischen Glauben und Medien wird immer konfliktreich sein. Doch zeigt sich dieser Konflikt meines Erachtens nicht in jenen Situationen, wo wir ihn zu erwarten pflegen: Unmoral, aggressives Umgehen mit religiösen Institutionen und Deformierungen von Behördeninterventionen, etc.
Datum: 26.11.2002
Quelle: Zenit