Zu Gast in Millionen Wohnstuben

Andrea Schneider, Pastorin im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden

Sie hat im Fernsehen am Samstagabend ganze dreieinhalb Minuten Zeit, um die Zuschauer mit der christlichen Botschaft zu erreichen. Dabei spricht sie in dem Bewusstsein, dass ihr durchschnittlich zwei Millionen Menschen zuhören – die meisten davon ohne engen Bezug zum kirchlichen Leben. “Das ist eine gewaltige Herausforderung”, sagt Andrea Schneider, Pastorin im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) und Sprecherin in der bekanntesten Verkündigungssendung des Deutschen Fernsehens, dem “Wort zum Sonntag”. Fast 60mal gingen ihre Ansprachen über den Sender, am 23. November wird es das letzte Mal sein. Dann scheidet die dienstälteste Sprecherin aus.

Eine Woche Arbeit für dreieinhalb Minuten

Die dreieinhalb Minuten kosten sie netto eine Woche Arbeitszeit. Themen aufspüren, erste Texte schreiben, mit dem Ehemann und den zuständigen Redakteuren über Formulierungen sitzen, vor die Kamera treten und nach Ausstrahlung der Sendung auf bis zu 100 Briefe und E-Mails antworten – das macht niemand mit links.

Wenn man dann noch dreifache Mutter ist und einen halben Dienstauftrag als Medienbeauftragte des BEFG hat, muss man mit seinen Kräften klug haushalten. Andrea Schneider veranstaltet Seminare zum Thema Moderation und Präsentation, ist gefragte Moderatorin bei grösseren Veranstaltungen und arbeitet in Gremien evangelischer Rundfunkarbeit mit. Eigentlich war es eine Überraschung, dass sie nach ihrer ersten Zeit beim “Wort zum Sonntag” (1989 bis 1995) schliesslich 1999 noch einmal berufen wurde. Die EKD räumte ihr damals einen von vier Plätzen ein, obwohl die Pastorin einer Freikirche angehört. “Qualität statt Quote” lautete das Motto – und dieses Kriterium hat die heute 46jährige offensichtlich erfüllt.

Welche Botschaft nach dem 11. September?

Das “Wort zum Sonntag” hat sie bei ihrer beruflichen Beanspruchung eher ehrenamtlich gemacht – und das mit viel Freude, trotz teilweise dramatischer Situationen. Am Wochenende nach den Terroranschlägen des 11. September stand sie vor der Kamera. Was sollte sie sagen? Sie entschied sich dafür, mit den Zuschauern zu beten, anstatt nur über die Hilfe des Gebetes zu referieren. Dienst hatte sie auch nach der Brandkatastrophe von Enschede, als sie im Rahmen des europäischen Schlagerwettbewerbs live von St. Pauli aus sprach. Ihr “Wort” wurde vor Ort direkt auf eine Grossleinwand übertragen und erreichte auf der Reeperbahn zusätzlich 20.000 Menschen.

Botschaft für biertrinkende Zuschauer

Die Kritik am “Wort zum Sonntag”, die sie immer wieder aus evangelikalen Kreisen hört – hauptsächlich wird moniert, es komme zu wenig Evangelium rüber -, hält sie im wesentlichen für unberechtigt. “Diese Sendung ist nicht für die Frommen. Ich stelle mir einen Zuschauer vor, der nach einer anstrengenden Woche mit der Flasche Bier vielleicht gelangweilt vor dem Fernseher sitzt und zufällig reinschaut. Mir geht es darum, diesen Menschen anzusprechen.” Die Reaktionen lassen darauf schliessen, dass ihr das gelungen ist. Viele Zuschauerbriefe beginnen mit dem Satz “Ich gehe eigentlich nie zur Kirche ...” Und einmal stand sogar einer mit einem Rosenstrauss vor ihrem Haus in Oldenburg, um ihr zu danken.

Pastorin bleibt dem Fernsehen treu

Das Ende von Andrea Schneiders Mitarbeit beim “Wort zum Sonntag” bedeutet übrigens nicht das Ende ihrer Präsenz im Fernsehen. Beim Eröffnungs-Gottesdienst zum “Jahr der Bibel” am 5. Januar wird sie im ZDF zu sehen sein – und dort darf sie voraussichtlich auch länger als dreieinhalb Minuten sprechen.

Datum: 04.11.2002
Quelle: idea Deutschland

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