Zum Dialog ins "Weltkloster"

Hans Küng, einer der Mentoren des „Weltklosters“.

Radolfzell. Der Prospekt klingt vielversprechend: Von "Perspektiven für eine neue Welt" ist die Rede. Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Religionen begegnen einander im Dialog, heisst es weiter. Möglich machen soll das ein "Weltkloster", das bis Ende 2005 am Rand der Radolfzeller Altstadt am Ufer des Bodensees unweit der Schweizer Grenze entstehen soll.

Die "Denk- und Begegnungsstätte der Zukunft" setzt sich aus den drei "Modulen" Klostergemeinschaft, Akademie und 100-Betten-Hotel zusammen. Die Gesamtkosten beziffert die Geschäftsführerin des Projekts "Weltkloster" und Bürgermeisterin Isabel Fezer auf umgerechnet rund 30 Millionen Franken. Die Klostergemeinschaft solle über eine noch zu gründende Stiftung finanziert werden, die anderen beiden Bereiche würden als Aktiengesellschaft geführt. Umgerechnet rund 600.000 Franken habe die Gemeinde Radolfzell in die Vorarbeiten investiert.

Training für Manager

Das "Weltkloster" will laut Fezer nicht nur Jugendliche, Lehrer und Geistliche aller Weltreligionen ansprechen, sondern auch Manager. Gerade als Angestellte grösserer Firmen kämen sie immer öfter mit anderen Kulturen und Religionen in Berührung. "Da entsteht viel Konfliktstoff." Im "Weltkloster" können sie sich künftig bei "interkulturellen Trainings" dafür rüsten. Seminare, Kurse und Workshops werden sich aber auch ethischen Fragen stellen. Schliesslich spiele Ethik in der Wirtschaft eine immer grössere Rolle, so Fezer: "Es geht nicht mehr nur ums Geldverdienen."

Mut und Spiritualität für längst notwendige Veränderungen" sollen auch von der Klostergemeinschaft ausgehen. Die Kommunität, in die voraussichtlich 2004 die ersten Mitglieder einziehen, steht Frauen und Männern aller Nationalitäten und Religionen offen, Ordensmitgliedern, Laien und Geistlichen, auch Interessenten, die nur vorübergehend im Kloster leben wollen. Zunächst allerdings werden nur Vertreter christlicher Konfessionen aufgenommen, so die Geschäftsführerin. Wie sich das Zusammenleben in der Gemeinschaft gestalten soll, darüber machen sich derzeit Ordensschwestern aus Basel Gedanken.

Hans Küngs Unterstützung

Seine Unterstützung hat dem Projekt unter anderen der Schweizer Theologe und Begründer der Stiftung Weltethos, Hans Küng, zugesichert. "Weltkloster"-Geschäftsführerin Isabel Fezer bezeichnet ihn als einen der Mentoren. Küng vertritt die These, dass es ohne Frieden zwischen den Religionen keinen Frieden in der Welt gibt und ohne Dialog keinen Frieden zwischen den Religionen.

An der offiziellen Gründung des Unternehmens Weltkloster aus Stiftung und Aktiengesellschaft wird Küng am 3. Oktober als Redner teilnehmen. Danach geht es darum, Stifter zu gewinnen.
Autorin: Elke Blüml

Kommentar

- Kann ein “Weltethos” den Weltfrieden bringen?

- „Kein Frieden unter den Nationen ohne Friede unter den Religionen.

- Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.

- Kein Dialog zwischen den Religionen ohne globale ethische Massstäbe.

- Kein Überleben unseres Globus ohne ein globales Ethos, ein Weltethos.“

(Livenet) So lautet die „Hoffnungsvision“ von Hans Küng in dem von ihm inspirierten „Projekt Weltethos“. Nun soll mit dem Dialog im "Weltkloster" in Radolfzell seine Theorie in die Praxis umgesetzt werden. "Wir können aber nicht umhin, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft leben, zusammen mit anderen religiösen Menschen, die nicht weniger moralisch sind als wir", behauptet Küng. Das Neue Testament sei nicht der "exklusive Weg zum Heil". Vielmehr könne ein Mensch, der nach reinem Gewissen handle, auch ohne Religion sein Heil erlangen.

Anfangs Jahr wurde der UN-Vollversammlung ein von dem UN-Generalsekretär Kofi Annan in Auftrag gegebener “Bericht über den Dialog der Zivilisationen” übergeben. Zu der Gruppe der 20 “herausragenden Persönlichkeiten” aus aller Welt, die ihn erarbeitet haben, gehört auch Theologieprofessor Hans Küng. Die Übergabe des Berichts war mit der Eröffnung seiner Ausstellung “Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos” verbunden. Sie bringt sein “Projekt Weltethos” voran, für das ihm eine Stiftung von über fünf Millionen Mark zur Verfügung steht. Küngs zentrale Forderung – “Kein Weltfriede ohne Religionsfriede” – bekommt jetzt einen Hauch von UN-Legitimation.

Das Milieu, in dem sich Küng und die „Stiftung Weltethos“ bewegen, ist eigenartig. Da trifft sich ein kleiner, erlesener Kreis beispielsweise in Wien. Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat eingeladen für das 'Inter-Action Council', einen Club ehemaliger Regierungschefs. Vertreter aller bedeutenden Religionen kommen zusammen. Niemanden überrascht es, dass die Anwesenden sich für Toleranz und Gewaltfreiheit weltweit aussprechen...Man hackt zwar ein bisschen aufeinander herum, wie in jedem Komitee. Aber am Ende ist man sich einig: all diese verschiedenen religiösen Lehren wollen im Grunde das Gleiche...

Wenn Küng immer wieder unter dem Beifall vieler fordert, die Religionen müssten sich von ihren Traditionen der Gewalt und Intoleranz trennen und Verständigung untereinander suchen, dann leistet er dem Vorurteil Vorschub, profilierte Religion sei intolerant und friedensgefährdend. Für das Christentum kann das so nicht gelten! Jesus liebte seine Feinde und forderte, dass seine Jünger sich ein Beispiel daran nehmen sollten. Das Böse sitzt so tief im Menschen, dass Christus dafür sterben musste. Das Böse ist mehr als das noch nicht ganz vollendete Gute. In der Tiefe der Seele lebt nicht nur die Erleuchtung zum Guten, wie fernöstliche Religionen vorgeben, sondern ebenso die Verführung zum Bösen. Diese Erkenntnis des christlichen Glaubens darf in den Dialogen mit anderen Religionen nicht verschwiegen werden.

Wenn jetzt viele Politiker und Kirchenleute zu verstärktem Dialog mit dem Islam aufrufen, dann muss es um diese Punkte gehen und nicht um Diskussionen über den Genuss von Schweinefleisch und um den Austausch von Meditationserfahrungen. Nur das klare Festhalten an einem christlichen Bekenntnis kann einen Beitrag zum Weltfrieden leisten. Sollte mit dem “Projekt Weltethos” aber ein Abschleifen und Abflachen der spezifischen Religionsprofile gemeint sein, wird ein bestimmt gut gemeintes Ziel nicht erreicht werden. Religionen, deren Profile bedroht werden, neigen eher zu aggressiven Reaktionen.

“Weltfrieden durch Weltmission” – so lautet die biblisch Alternative auf die Initiativen von Küng. Die Mission war immer mit medizinischer und sozialer Hilfe verbunden. Das waren direkt friedensfördernde Taten. Zum anderen: Mission war immer auch mit Bildungsarbeit verbunden. So hat sie Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Menschen freiheitlich und ohne Gewalt ihr Zusammenleben organisieren konnten. Gläubige Menschen verzeihen ihren Feinden. Im Abendland hat man scheinbar bis in kirchliche Kreise hinein diesen Zusammenhang von Mission und Friedensarbeit vergessen.

Bruno Graber

Datum: 11.08.2002

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