Kirchenoberhäupter rufen in ihren Pfingstpredigten zum Umdenken auf

Frankfurt/Main. Exponenten der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland haben in ihren Pfingstpredigten zu Umdenken und Erneuerung aufgerufen. Kardinal Karl Lehmann sagte, Reform bedeute zunächst einen Wandel in Einstellungen und Denken. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche, Präses Manfred Kock, prangerte die «Spassgesellschaft» an und forderte die Gläubigen auf, den Traum von einer mitreissenden christlichen Bewegung nicht nur zu träumen, sondern auch zu leben.

«Pfingsten heisst: Heraus aus dem Gesetz der Sünde und des Todes. Wir sind Freie geworden, nicht mehr Sklaven der Angst», sagte Kock am Sonntag in seiner Predigt in Neuss. Christen seien frei, gegen Unrecht aufzubegehren, frei zum Mitleiden und frei zum Dienst an der Welt. «Leben ist mehr als nur einfach da sein.» Deswegen könnten Christen nicht in die allgemein verbreitete Hoffnungslosigkeit einstimmen. Wer die Unveränderlichkeit der Welt behaupte, verschaffe damit nur eigener Untätigkeit ein Alibi

Kock kritisierte eine «Spassgesellschaft», in der die Menschen in den Tag hineinlebten, sich an ihrem Geld erfreuten und versuchten, sich zu amüsieren. Er warnte allerdings auch vor dem Irrtum, man könne «die verwirrende Welt wieder ganz einfach - fundamentalistisch - eindeutig - moralisch machen». Diese Strömungen gebe es nicht nur im Islam, sondern «auch bei uns in unterschiedlichen christlichen Schattierungen.»

Lehmann verwies in seiner Predigt im Mainzer Dom darauf, dass Pfingsten das Fest des Gottesgeistes sei. Es erschliesse mit der Weihnachts- und der Osterzeit die zentralen Geheimnisse des Glaubens. Der Geist Gottes schenke Ruhe in Zeiten der Unrast, Trost in Zeiten des Leids und Heilung bei Krankheit. Dieser Geist gehöre zu jeder echten Erneuerung, und diese bedeute nicht nur eine Umstrukturierung von Interessen. Reform gebe es ohne spirituellen Ansatz nicht. Nur der Geist Gottes könne sagen: «Seht, ich mache alles neu!». Dies sei die Freude und Kraft von Pfingsten.

Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner bezeichnete den Überdruss als «Erkennungszeichen einer nicht mehr begeisterungsfähigen Kirche und Welt». In einem Beitrag für die Kölner Zeitung «Sonntag-Express» zu Pfingsten rief der katholische Geistliche deswegen zu einer Neubesinnung auf. Wenn man den Geist Gottes einzugrenzen versuche, dann erstarre auch die Kirche in Strukturen und Institutionen. «Das gelangweilte Gähnen wird Hausmarke des modernen Menschen. Alles was ohne Gottes Geist getan wird, mag zwar nach aussen einen tollen Eindruck schinden und grossartig klingen, doch innen ist es hohl, verkalkt, versteinert, erstarrt», schrieb Meisner.

Datum: 21.05.2002
Quelle: Epd

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