Die Zürich-Connection

Das Bermuda-Dreieck der Sektenexperten

Drei Zürcher Institutionen und Personen unterstützen sich in ihrem Kampf gegen echte und vermeintliche Probleme mit Freikirchen und Sekten. Eine unheilige Allianz? Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Freikirchen werden in nationalen Medien oft negativ dargestellt.
Hugo Stamm
Regina Spiess
Georg Otto Schmid

Der Artikel in 20 Minuten vom Donnerstag über angebliche Missionsversuche von Freikirchen in Asylzentren (Kommentar von Livenet) zeigte, wie die Mechanik immer wieder von Neuem funktioniert.

Da schreibt der passionierte und inzwischen pensionierte Sekten- und Psychogruppenjäger Hugo Stamm in seinem Tagesanzeiger-Blog einen Text mit einer Spitze gegen Freikirchen. Diesmal verdächtigt er sie, bei Einsätzen in Asylzentren nicht in erster Linie Flüchtlingen zu helfen, sondern sie missionieren zu wollen. Zwar nennt er keinen konkreten Fall, weder einen Zentrumsmitarbeiter noch einen Flüchtling, der sich über Missionsversuche beklagt hätte. Aber weil es Freikirchler sind, können sie doch gar keinen anderen Zweck als die Missionierung verfolgen, scheint das Stereotyp im Hinterkopf von Stamm zu sein. Als Beispiel nennt er dann pikanterweise die Zeugen Jehovas – «sie sind Missionsprofis» –, die er bedenkenlos unter den Kreis der «Freikirchen» mischt.

Immer wieder die gleichen Stereotypen

Ein Mitarbeiter von 20 Minuten, der die Texte von Hugo Stamm verfolgt, wittert einen süffisanten Text und holt eine Stellungnahme bei Infosekta in Zürich ein. Regina Spiess hält Freikirchen ähnlich wie Stamm für problematisch, denn sie haben zum Beispiel eine «rigide Sexualmoral» und sind gegen Sex vor der Ehe und die «Diskriminierung von Homosexuellen». Sie wittert Gefahr, insbesondere für Kinder, die durch Freikirchen bekehrt werden könnten.

Wenn der Blick wieder mal eine gefährliche Sache im freikirchlichen Milieu ortet – letzte Woche war es ein Inserat von Livenet für einen Zivildienstleistenden –, kommt Georg Otto Schmid von Relinfo zum Zug. Ja, Livenet sei ein Zusammenschluss von Mitgliedern von Freikirchen. Und für diese seien Homosexualität und Sex vor der Ehe tabu. Und vielleicht noch schlimmer: diese Kreise wollten die Bibel eins zu eins umsetzen.

Religion im Spiegel negativer Erfahrungen?

Das Grundproblem aller dieser Freikirchen- und Sektenexperten dürfte darin liegen, dass sie Religion und im besonderen Freikirchen nur aus der Optik von Menschen kennen, die damit ein Problem haben, vielleicht weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Zudem sind sie bereit, Stereotypen im Stile des Boulevard zu bestätigen.

Das Ringen von freikirchlichen Leitern und Pastoren um einen gerechten Umgang mit biblischen Werten angesichts von zeitgenössischem Wertewandel bleibt ihnen verborgen.

Zeitgleich mit dem Erscheinen der beiden Texte in Boulevardmedien fand die Leiterkonferenz der Evangelischen Allianz und des Freikirchenverbandes zum Thema Bibel statt. Sie stellte sich die Frage, wie die Bibel sowohl den Christen wie Menschen in der Gesellschaft nahegebracht werden kann. Nicht als ein papierener Papst, sondern als Offenbarung in vielfältiger Form mit dem Ziel der Lebenshilfe und Orientierung zum Glauben in einer postmodernen Zeit. Mit hoch kompetenten Referenten zum Beispiel aus der theologischen Fakultät Zürich. Auch im Umgang mit der Homosexualität findet zur Zeit in freikirchlichen Gremien und Verbänden ein Denkprozess statt, der Lösungen sucht, die betroffenen Menschen gerecht werden und sie wertschätzen, ohne einfach das biblische Zeugnis über Bord zu werfen oder dem Zeitgeist anzupassen. Die Frage an die Sektenexperten muss gestellt werden, ob sie lieber ein Feindbild pflegen oder wirklich an der gelebten Realität von christlichem Leben in Landes- und Freikirchen interessiert sind.

 

Zum Thema:
Mission im Asylzentrum: Wie berechtigt sind die «Sorgen» der Sektenexperten?
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Das totale Reizwort: Mission? Impossible!
Kolumne zum Sonntag: Missionieren verboten

Datum: 08.12.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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