Wüste Kritik an Huonder

Man schlägt den Sack und meint den Esel

Der Churer Bischof Vitus Huonder musste für seinen kurzen Exkurs zur Homosexualität am Forum Deutscher Katholiken wüste Kommentare und zwei Anzeigen einstecken. Welche Ängste stecken hinter diesen Reaktionen? Und was ist daraus zu folgern? Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Kathedrale in Chur
Bischof Vitus Huonder
Livenet-Redaktor Fritz Imhof

Zwar glaubt kaum ein Kommentator, dass der Bischof die Homosexuellen umbringen will. Doch man vermutet hinter seinen Äusserungen wohl eine andere Absicht. Dass der Bischof die böswilligen Interpretationen selbst verantworten muss, wirft ihm sogar sein Mediensprecher Giuseppe Gracia auf Radio DRS vor. Gewalttätige Gruppen könnten sich in ihrer Aggressivität gegenüber Homosexeuellen bestätigt fühlen.

Eine «hidden Agenda»?

In seiner Rede vor dem Forum Deutscher Katholiken in Fulda ging es Bischof Vitus um die Einbettung der Sexualität in die Ehe und um die besondere Stellung der Institution Ehe in Kirche, Bibel und Gesellschaft. Dabei machte der Bischof auch klar, dass für ihn und die katholische Kirche eine Ehe von Homosexuellen nicht möglich sei. Ob der Bischof gut beraten war, gleich die knackigen Stellen aus dem 4. Buch Mose zu zitieren, die homosexuelle Praktiken unter die Todesstrafe stellen, darüber kann man streiten. Auch über den kurzen Nachsatz dazu, dass die Leviticus-Stellen der Diskussion um Homosexualität eine Wende geben könnten. Aber im Kern stellt Huonder die laufenden Bemühungen um eine Reform der Familiengesetze in Frage, bei der auch über eine Ehe von Homosexuellen diskutiert wird. Die Organisation Pink Cross, die noch nie so nahe am Ziel einer vollständigen gesellschaftlichen Anerkennung von homosexuell empfindenden Menschen stand, reagiert daher umso empfindlicher auf die Kritik von Kirchenleuten.

Die innerkatholische Kontroverse

Der frühere Papst Benedikt XVI. hat als Präfekt der Glaubenskongregation die katholische Position bestätigt, die Homosexualität selbst nicht als Sünde sieht, wohl aber praktizierte homosexuelle Sexualität. Der aktuelle Papst Franziskus hält daran fest, macht sich aber für eine respektvolle Haltung gegenüber homophilen Menschen und ihre Annahme in der Kirche stark, womit er sich aber an der letzten Familiensynode (noch) nicht durchsetzen konnte.

Daneben gibt es eine starke Strömung von Theologen in der Kirche, die biblische Aussagen zur Homosexualität ähnlich interpretieren wie vor 30 Jahren protestantische Sexualethiker. So sieht zum Beispiel Peter Zürn, Verantwortlicher für Spiritualität in der Römisch-katholischen Kirche Baselland, in der Freundschaft von David und Jonathan ein Beispiel von biblisch legitimierter und praktizierter Homosexualität. Die Bibel spreche sich nicht gegen homosexuelles Verhalten aus, sondern gegen Machtmissbrauch.

Der Kampf um gesellschaftliche Anerkennung

Hinter der dünnhäutigen Reaktion von Pink Cross auf jede Kritik an Homosexualität steht eine düstere Geschichte, in der Homosexuelle die gleiche Wertung erfuhren wie heute Pädophile. Oft wurden Homosexuelle mit Pädophilen gleichgesetzt. In Nazideutschland wurden sie wie die Juden grausam verfolgt. Und in der Schweiz sah man bis in die Neuzeit die Kinder in Gefahr vor ihnen. Heute spürt man die Bemühung auch bei Medienschaffenden, zur Wiedergutmachung von geschehenem Unrecht beizutragen, indem man auf jede «homophobe» Äusserung scharf reagiert.

Mit statt über homosexuelle Menschen reden

Homosexuelle Praktiken unterlagen auch in der Schweiz dem Strafrecht. Gerade wenn es um die christliche Haltung gegenüber betroffenen Männern und Frauen geht, empfiehlt es sich daher, nicht nur über, sondern mit den betroffenen Menschen zu reden. Und dabei auch gut zuzuhören. Es gilt Wege zu finden, wie an Jesus glaubende homosexuelle Menschen auch Aufnahme in christlichen Gemeinden finden können. Auch wenn sie (noch) nicht explizit eine Veränderung ihrer sexuellen Orientierung wünschen.

Zu hoffen ist, dass auch die Organisationen der homosexuellen Menschen früher oder später bereit sind, das Thema sachlicher anzugehen. Dass sie zum Beispiel einräumen, dass es homosexuell Empfindende gibt, die eine Veränderung wünschen und sich nach einer Familie sehnen. Aber vielleicht ist es dazu in der aktuell aufgeheizten Stimmung einfach noch zu früh.

Zur Webseite:
Stellungnahme der Evangelischen Allianz zur Homosexualität

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Datum: 17.08.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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