Von der Theologie der Befreiung zu den Pfingstkirchen

Pfingst

Wölmersen. Eine kritische Bilanz der Theologie der Befreiung hat der brasilianische evangelikale Theologe und Vorsitzende des internationalen Hilfswerkes “World Vision”, Valdir Steuernagel (Curitiba), gezogen. “Die Befreiungstheologie stellte sich auf die Seite der Armen; die Armen stellten sich auf die Seite der Pfingstkirchen”, sagte Steuernagel bei einer gemeinsamen Tagung der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Gemeinschaft Europäischer Evangelikaler Theologen, die vom 16. bis 20. August in Wölmersen bei Altenkirchen stattfand.

Seiner Beobachtung nach ist die Befreiungstheologie ebenso von der Bildfläche verschwunden wie ihre “Basisgemeinden”. Die Theologie der Befreiung sei zwar aus dem richtigen Gedanken geboren worden, dass sich eine reiche Kirche um arme Menschen zu kümmern habe. Die Theologie selbst sei aber auf Illusionen aufgebaut gewesen. Die angekündigten Veränderungen seien nicht eingetreten; Korruption, Ungerechtigkeit und Armut habe es weiterhin gegeben. Heute wendeten sich viele Menschen den Pfingstgemeinden zu. Zwischen 1991 und 2000 habe der Anteil der Evangelischen an Brasiliens Gesellschaft um mehr als 70 Prozent zugenommen (von 9,1 auf 15,5 Prozent), heute seien 26 Millionen Brasilianer evangelisch.

Marketing wichtiger als Theologie

Steuernagel sieht allerdings auch das rasante Gemeindewachstum bei Evangelikalen und Pfingstlern kritisch. Zu häufig werde ein Evangelium gepredigt, das Wohlstand verspreche. Auch die umstrittene “Geistliche Kriegsführung”, bei der angeblich ganze Regionen durch Gebet von Dämonen befreit werden, falle in Südamerika auf fruchtbaren Boden. Trotz der starken Zunahme an Evangelikalen sei die brasilianische Gesellschaft nicht gerechter, der Anteil der Armen nicht geringer geworden. “Wir müssen uns fragen, was für ein Evangelium wir predigen und was für Gemeinden wir bauen.” Den neuen Bewegungen fehle häufig das Interesse an fundierter Theologie. “Die Marketing- und Verkaufsfähigkeiten sind wichtiger geworden als ein theologisches Diplom und manchmal sogar wichtiger als die klassischen Grundlagen der Theologie”, kritisierte Steuernagel.

Datum: 21.08.2002
Quelle: idea Deutschland

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