Aargau: Bandixen wird neue Kirchenratspräsidentin

Claudia Bandixen

Eine kleine Sensation hat sich im Parlament der reformierten Aargauer Kirche ereignet. Die Synode hat die Kandidatin der Reformatorisch-evangelischen Fraktion, Pfarrerin Claudia Bandixen-Widmer, zur Präsidentin des Kirchenrates gewählt.

Claudia Bandixen wurde in einer spannenden Ausmarchung, die sechs Theologinnen und Theologen über drei Wahlgänge zittern liess, in das höchste Amt in der Aargauer Kirche gewählt. Die Grundlage zu ihrer Wahl hat sie als engagierte und erfolgreiche Koordinatorin des Reformprojekts "Kirche 2002" gelegt, wobei sie auch das Vertrauen der allianznahen Kreise gewonnen hat. Sie profilierte sich zum Beispiel als erfolgreiche Vermittlerin in Konflikten zwischen evangelikalen und liberalen Kräften.

Claudia Bandixens Reformwille im Blick auf eine erneuerte Kirche und ihre Fähigkeiten, mit unterschiedlichen kirchlichen Richtungen das Gespräch zu finden, hatte die Reformatorisch-evangelische Fraktion bewogen, sie als ihre Kandidatin zur Wahl vorzuschlagen. Die Fraktion konnte mit Recht in Anspruch nehmen, eine Kandidatin zur Wahl zu stellen, die nicht nur für die eigene Fraktion, sondern für die gesamte Aargauer Kirche ein Gewinn sein könnte. Ihr besonnenes Vorgehen vor der Wahl sollte sich auszahlen. Claudia Bandixen lag im letzten Wahlgang mit 86 Stimmen klar in Führung. Die neue Kirchenratspräsidentin hat Missionserfahrung in Südamerika, wo sie zum Beispiel mit der Pfingstbewegung zusammenarbeitete. Sie wird ihr Amt Anfang 2003 antreten. An der gleichen Synode wurde der unter ihrer Ägide entwickelte "Experimentierartikel" angenommen. Er erlaubt den Kirchgemeinden unter anderem, neue Formen des Gottesdienstes auszuprobieren und einzuführen und bricht damit teilweise die im Aargau noch recht starre Kirchenordnung auf.

Kurzinterview mit Claudia Bandixen

Fritz Imhof: Claudia Bandixen, was wird sich mit Ihrer Wahl in der Aargauer Kirche ändern? Welche Ziele setzen Sie sich?

Bandixen: Auf vieles, was in unserer Kirche lebt, bin ich stolz und möchte es nicht ändern. Ich möchte aber das, was ich bei meiner Projektarbeit an Vertrauen, Liebe und Engagement gespürt habe, lebendig erhalten und möglichst weiter unterstützen. Mir ist bewusst, dass schon allein die Situation für unsere Kirche einigermassen zu halten, grosse Anstrengungen erfordern wird. Wichtig ist mir dabei, dass wir als Kirche nicht allen Entwicklungen hinterher hinken und nur noch reagieren, sondern dass wir ein echter Gesprächspartner und ein Gegenüber der Gesellschaft sind.

Imhof: Aus welcher Quelle schöpfen Sie Ihre Kraft und Dynamik für die Arbeit in dieser Kirche?

Bandixen: Hier gibt es für mich eine glaubensmässige und eine funktionelle Ebene. Es ist mit mir früh geschehen, dass mir klar war, ohne Gott gibt es kein Leben. Ich brauche bewusst das holperige "Es ist geschehen". Es ist mir in mein Leben hineingelegt worden, ohne dass ich es gesucht oder danach gefragt hätte. Wenn ich als Theologin über Glauben rede, finde ich leicht viele Worte; wo es darum geht, über das, was ich im Innersten fühle, zu sprechen, bin ich fast sprachlos. Das Wissen und die Erfahrung, Gott trägt mich, trägt uns alle, ist wie ein Cantus firmus der in allem mitschwingt und -tönt, der Mut und Licht bringt und alles durchdringt.

Imhof: Wie gehen Sie mit Rückschlägen und Enttäuschungen um?

Bandixen: Ich habe das grosse Privileg, eine quirlige, fröhliche Familie zu haben. Wenn es beruflich Probleme gibt, relativiert die Familie das Ganze und hilft, dass ich über mich lachen kann. Wenn in der Familie nicht alles rund läuft, so relativiert das Berufliche, was in der Familie ist. Diese beiden Seiten im Leben haben mir immer wieder geholfen, das Gleichgewicht zu bewahren und auch die nötige Distanz zu gewinnen.

Imhof: Hat die Landeskirche ohne verstärkte Glaubensverkündigung eine Zukunft?

Bandixen: Eine Kirche ohne Verkündigung ist für mich kein Thema. In unserer Landeskirche gibt es vier glaubensmässige Grundströmungen. Sie vertreten alle einen wichtigen Aspekt des Christlichen, unterscheiden sich aber voneinander und brauchen einander auch gegenseitig als Korrektiv, damit die Kirche nicht einseitig wird oder gar zur Sekte verkommt.

Typisch landeskirchlich ist es, dass diese verschiedenen Ausrichtungen ein dialogisches und fruchtbares Miteinander suchen und meistens auch finden. Der Dialog nach innen ist das Übungsfeld und der Garant dafür, dass wir Verständnis und Offenheit bewahren für andersdenkende Menschen und Strömungen auch ausserhalb der Kirche. Wer im Dialog steht, muss einen eigenen Standpunkt vertreten können, sonst ist er kein Gegenüber mehr. Hier tut sich unsere Kirche manchmal schwer und da werden unsere Grundströmungen mehr Selbstbewusstsein entwickeln und profilierter dazu stehen müssen, was ihnen wichtig ist.

"Versuchungen" wären dabei Pharisäismus, Rechthaberei, also der Anspruch, die ganze Wahrheit alleine gepachtet zu haben. Schlüsselworte der Verkündigung sind darum für mich Demut und Hoffnung.

Die 42-jährige Theologin war nach ihrem Studium fünf Jahre Pfarrerin im Kanton Schaffhausen. Sechs Jahre begleitete sie für den Evangelischen Entwicklungsdienst verschiedene interdisziplinäre Frauenprojekte in Santiago de Chile. Seit der Rückkehr in die Schweiz 1996 wohnt sie mit ihrer Familie in Hausen. Sie arbeitet für verschiedene Kirchgemeinden und hält Vorträge. Ihr Mann ist Pfarrer in der Kirchgemeinde Windisch.

Datum: 13.06.2002
Autor: Fritz Imhof
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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