Wissen aus zweiter Hand

Warum die Generation Y kaum mehr Bibel liest

«Viele Leute haben noch nie längere Absätze der Bibel gelesen – sie kehren einfach immer und immer wieder zu den Versen zurück, die sie bereits als inspirierend oder tröstend empfunden haben.» Dies erklärt Dr. Ruth Perrin, die am St. John’s College in Durham, Grossbritannien, unterrichtet und sich seit Jahren auf die Jüngerschaft und das Formen von Leitern unter junger Erwachsenen konzentriert hat.
Bibel
Dr. Ruth Perrin

In ihren Forschungen zum Thema führt Ruth Perrin vor allem Gruppen- und Einzelinterviews durch, macht aber auch Umfragen. Und die Resultate sind erschreckend: Mehr als einer von fünf jungen Christen liest kaum oder nie die Bibel und kommt nur im Zusammenhang der Kirche mit der Bibel in Kontakt. 89 Prozent der Befragten zwischen 18 und 30 Jahren erklären, dass ihr Bibelwissen hauptsächlich aus Predigten und Bibelstudien in Hauskreisen stammt – nicht vom eigenen Bibellesen.

Gemeinden ziehen gewisse Texte vor

Doch wie Perrin im Interview mit Evangelical Focus erklärte, liegt der Grund, dass viele Menschen – wie anfangs erwähnt – bestimmte Verse und Abschnitte vorziehen, während andere Bibelabschnitte gänzlich übersehen werden, darin, dass auch die Gemeinden ihre «Vorlieben» für Bibeltexte haben. Ein Beispiel von Perrin: «Reformierte Evangelikale setzen oft einen starken Akzent auf den Römerbrief. Gemeinden, die an sozialen Aktionen interessiert sind, betonen das Evangelium von Lukas. Charismatische und pfingstlerische Kirchen verbringen viel Zeit mit dem Buch der Apostelgeschichte. Nur eine wirklich mutige Gemeinde nimmt es mit Jeremia auf sich (und zwar nicht nur die wenigen fröhlichen Kapitel), oder Chronik oder 3. Mose!» Aus diesem Grund kennen laut Perrin viele Christen auch das Neue Testament deutlich besser als das Alte.

«Regelmässiges Bibellesen braucht Disziplin»

Woran liegt es aber, dass nur so wenige der Generation Y ihre Bibel zur Hand nehmen? Für Ruth Perrin ist klar: «Beschäftigung. Viele von uns rennen extrem schnell durchs Leben und hängen 24 Stunden am Tag an diversen Monitoren. Es braucht echte Disziplin, sich Zeit zu nehmen, um in der Bibel zu lesen. Viele Leute, mit denen ich gesprochen haben, beginnen, Audio-Versionen der Bibel zu hören, wenn sie zur Arbeit fahren oder andere praktische Dinge erledigen. Andere lesen zusammen mit dem Partner oder einem Freund, das scheint zu helfen.»

Der Gott der Gnade ist verständig

Doch es geht Perrin nicht darum, Menschen anzuprangern oder ein schlechtes Gewissen zu vermitteln. Sie sucht vielmehr nach Wegen, wie sie den Glauben anderer – in diesem Fall überwiegend junger Christen – unterstützen und stärken kann. Und so erklärt sie auch: «Man muss die Spannung aushalten zwischen dem sich Zeit schaffen, um regelmässig (auch wenn es nicht täglich ist) Zeit mit Gott zu finden, und dem Bewusstsein, dass wir einen Gott der Gnade anbeten, der unsere Lebensabschnitte versteht», denn gerade für Eltern kleiner Kinder sei die regelmässige Stille Zeit eine grosse Herausforderung.

Ideen zur Motivation

Um insbesondere junge Christen zum Bibellesen zu motivieren, rät Perrin, dass man ihnen zeigen muss, wie interessant die Bibel sein kann. «Leidenschaft für die Heilige Schrift ist ansteckend!» Auch Kleingruppen würden dies Anliegen unterstützen, Orte, «an denen die Leute ermutigt werden, sich mitzuteilen, zu sprechen und voneinander zu lernen, anstatt zu erwarten, dass ein Experte ihnen 'die Antwort' beschert». Auch einen Überblick über die grossen Zusammenhänge der Bibel zu geben, ist laut Perrin sehr hilfreich. «Aber letztlich müssen Menschen Gott in seinem Wort treffen und es nicht einfach aus Pflichtgefühl lesen.»

Zur Webseite:
Das komplette Interview (auf englisch)
Zum Blog von Ruth Perrin (auf englisch)

Zum Thema:
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Datum: 09.04.2017
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Evangelical Focus

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